Thomas Weber
Lauras Logbuch
Woche 74
Laura Dekker (16) segelte mit ihrem Segelboot Guppy als jüngster Mensch um die Welt. in ihrem Logbuch berichtete sie jede Woche über ihre Reise. Dies ist ihre letzte Kolumne.
Fast geschafft
Montag, 16. Januar 2012, 10.33 Uhr
Atlantischer Ozean
Die Vorstellung ist seltsam: dies ist meine letzte Kolumne für das Algemeen Dagblad. Ungefähr zur gleichen Zeit, wenn die Zeitung mit dieser Kolumne im Briefkasten liegt, werde ich im Hafen von Sint Maarten einlaufen. Im Augenblick (Montag) haben Guppy und ich noch 780 Seemeilen [1445 Kilometer] vor uns. Wenn der Wind uns auch weiterhin wohlgesonnen bleibt, hoffe ich am Samstag anzukommen. Dann habe ich faktisch die ganze Welt sogar ein bisschen mehr als einmal umsegelt. In den vergangenen Tagen habe ich viel über die letzten anderthalb Jahre nachgedacht. Ein Gedanke kehrt dabei immer wieder: ich habe viel erlebt und die Zeit ist so wahnsinnig schnell vergangen. Es ist schwierig, auf die Schnelle ein paar Höhe- und Tiefpunkte herauszugreifen. Wirkliche Tiefpunkte gibt es für mich nicht und auch schwierige Momente haben immer etwas Gutes. Meine Überfahrt von Darwin nach Südafrika war heftig, aber ich bin trotzdem froh darüber, sie gemacht zu haben. Ich finde es genauso schwierig, einen der Höhepunkte der Reise herauszupicken. Ja, ich fand die Marquesas Inseln (Französisch-Polynesien) großartig und über den Pazifik zu segeln war wunderschön. Und nun bin ich wieder auf dem Atlantischen Ozean. Der Nordatlantik (der Teil oberhalb des Äquators), macht mir wenig Freude, aber das Segeln über den Südatlantik war super! Ich weiß nicht, ob ich so schnell nochmal eine Weltumsegelung machen werde. Über den Pazifik würde ich aber sehr gern nochmal segeln. Zunächst werde ich mich ein bisschen von meiner Reise erholen. Ich weiß zwar, daß ich bald der jüngste Mensch sein werde, der jemals allein die Welt umsegelt und den Rekord von Jessica Watson um mehr als ein halbes Jahr gebrochen hat. Trotzdem ist das noch immer ein komisches Gefühl. An und für sich freue ich mich auf das Ende meiner Reise. Ich habe aber noch nicht die leiseste Ahnung, was mich erwarten wird. Ich weiß nur, daß mein Vater, meine Mutter, meine kleine Schwester und meine Oma und mein Opa mich erwarten werden, und ich sehne mich danach, sie wiederzusehen. Und den Rest... werde ich ganz ruhig über mich ergehen lassen.
Grüße, Laura
Wir möchten dem Algemeen Dagblad noch einmal für die Erlaubnis, Lauras Kolumnen zu übersetzen und veröffentlichen zu dürfen, ganz herzlich danken.
Thomas Weber & West North
Thomas Weber
Lauras Logbuch
Woche 73
Countdown zur Ziellinie
Atlantischer Ozean
Donnerstag, 12. Januar 2012, 11.20 Uhr
Ich zähle die Tage. Noch eine gute Woche und dann ist meine Weltreise zu Ende. Bis dahin muß ich noch 1700 Seemeilen [3148 Kilometer] segeln. Im Augenblick läuft alles prima. Ich befinde mich zur Zeit in den ‘Doldrums’, einer Zone mit aufsteigenden Luftmassen in der Nähe des Äquators. Heute ging es ganz gut, im Gegensatz zu gestern, als ich eine Menge Regenböen mit heftigen Winden um die Ohren bekam. Über den Südatlantik zu segeln war wunderbar, aber die Doldrums sind wirklich anstrengend. Einmal hat man überhaupt keinen Wind und das andere Mal viel zu viel Wind, und ich hoffe, her schnell wieder heraus zu sein. Bis dahin habe ich noch viel Zeit um nachzudenken. Meine Reise hat mir genau das gebracht, was ich mir erhofft hatte: unbekannte Länder, die Ruhe und die endlose Weite der See und die Einheit mit der Natur. Und ich habe die See, das Segeln und diese Art zu leben umso mehr schätzen und lieben gelernt. Ich bin auch erwachsener geworden, und bin mittlerweile sicher, daß ich das Segeln zu meinen Beruf machen möchte. Aber ich habe erkannt, daß sowas in Europa wohl nicht zu realisieren ist, wogegen ich in Neuseeland oder Australien eine Menge Möglichkeiten hätte. Obwohl ich oft allein auf See war, habe ich mich niemals einsam gefühlt. Guppy war ja immer für mich da. Alles hinter mir zu lassen war auch viel einfacher als ich erwartet hatte. Na ja, ehrlich gesagt schaue ich nicht so viel zurück, denn nach vorne zu blicken ist meiner Ansicht nach sinnvoller. Ich bin froh, daß ich soweit gekommen bin - fast um die ganze Welt. Aber auch darüber denke ich nicht sonderlich viel nach. Es gibt Menschen, die wahnsinnig auf meine Ankunft in Sint Maarten gespannt sind. Ich denke nicht viel daran, da ich es nicht besonders aufregend finde. Zu meiner eigenen Überraschung ist es für mich das Normalste, als Jüngste die Welt allein umsegelt zu haben. Es fühlt sich auch weder als das Ende noch als der Beginn von irgendetwas an, sondern einfach als ein Teil meines Lebens. Grüße von Laura
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Thomas Weber
Lauras Logbuch
Woche 72
Sternenhimmel
Atlantischer Ozean,
Donnerstag, 5. Januar 2012, 11.05 Uhr
Ja, es stimmt. Ich habe es vor ein paar Wochen schon geschrieben: ich bin schon fast um die Welt gesegelt und hoffe, Ende Januar auf Sint Maarten anzukommen. Es ist aber nicht so, wie das in den letzten Tagen oft zu hören war, daß ich von dort im letzten Januar zu meiner Weltreise aufgebrochen bin. Das bin ich schon ein paar Monate früher von Gibraltar [21. August 2010]. Und deswegen ist mir mein Rekordversuch, als jüngster Mensch um die Welt zu segeln, auch schon gelungen, denn ich habe den Längengrad von Gibraltar schon vor einiger Zeit passiert. Jedoch kann ich auf hoher See wohl kaum ein Schild aufstellen, und außerdem möchte ich von Sint Maarten aus nach Neuseeland weitersegeln. Wir kommen jedenfalls gut voran bei einem guten Wind, was außergewöhnlich ist, da wir uns immer mehr den sogenannten 'Doldrums' nähern. Das ist die Zone in der Nähe des Äquators, die für ihre Luftturbulenzen und unbeständigen Winde berüchtigt ist. Manchmal bekommt man eine Menge Regen auf einen Schlag ab, und danach bleibt es für eine lange Zeit trocken. Insbesondere sind die Doldrums bei Seglern für ihre langen Windstillen und ihre hohen Temperaturen gefürchtet. Im Augenblick ist das Wetter prima. Es wird jedoch stets wärmer und am Tag gleicht Guppy einem Ofen. Deshalb schlafe ich am Tag und bleibe nachts wach. Es ist so schön, die mondbeschienene See und die vielen tausend Sterne um mich herum zu sehen. Auf See gibt es keine Luftverschmutzung, und so, vorausgesetzt der Himmel ist nicht bewölkt, kann man einen atemberaubenden Sternenhimmel genießen. Neben ein paar fluoreszierenden Knicklichtern waren der Mond und die Sterne mein Ersatz für das Feuerwerk an Silvester, das ich natürlich auch auf See gefeiert habe. Durch die Zeitzone, in der ich zu dieser Zeit segelte, war das für mich zwei Stunden später als in den Niederlanden. Leider habe ich in den ersten Stunden des neuen Jahres nicht schlafen können, da Guppy heftig in den Wellen hin und her rollte. Gegen Morgen ging es dann etwas besser. Mittlerweile bin ich gut ausgeruht und habe 'Gup' mal wieder gründlich gereinigt, damit wir sauber und aufgeräumt ins neue Jahr segeln können. Grüße, Laura
Thomas Weber
Lauras Logbuch
Woche 71
Weihnachten auf See
Atlantischer Ozean
Donnerstag, 29. Dezember 2011
Ich habe mein erstes Weihnachtsfest auf See erlebt. Wie es war? Nun ja,
ich habe nicht viel 'Weihnachtliches' gemacht. Ein Fünf-Gänge Menü auf
einem Boot ist sowieso nicht drin, aber durch die ärgerlichen Wellen
mußte ich mich leider mit Essen aus der Dose begnügen. Trotzdem habe ich
mit einem kleinen Weihnachtsbaum, einer Weihnachtsgirlande und einer
Schneemann Puppe ein bisschen Weihnachtsstimmung in die Kajüte gebracht.
Und mit meiner Weihnachtsmütze auf dem Kopf habe ich mich gut amüsiert.
Zwischen der täglichen Segelei habe ich viel in Isabel Allendes Buch
"Mayas Notizbuch" ['El Cuaderno de Maya'] gelesen und oft Musik gehört.
Daneben habe ich auch an diejenigen, die ich gern habe, und die zu Hause
bei einem schönen Weihnachtsessen saßen, gedacht. Ganz im Stillen habe
ich mich darüber gefreut, so ein einfaches Weihnachtsfest verbringen zu
können. Ich muß die Familie nicht besuchen, brauche nicht artig bei
Tisch zu sitzen, komme nicht in Versuchung, mich mit dem leckeren Essen
vollzuschlagen und muß mich nicht mit den anderen unterhalten bis ich
schwarz werde. Ich habe übrigens ein schönes Weihnachtgeschenk bekommen:
am ersten Weihnachtstag hat die Sonne den ganzen Tag lang geschienen.
Es war herrlich, mal einen Tag ohne schweren Regen und dunkle Bewölkung
zu erleben, und seitdem scheint das Wetter ständig besser zu werden. Der
Wind spielte sowieso schon mit und es wird ständig wärmer. Auch die
Wassertemperatur steigt. Ich habe das zwar nicht eigenhändig
ausprobiert, aber ich merkte das, indem ich gestern den ersten
Fliegenden Fisch seit einer halben Ewigkeit zu Gesicht bekommen habe.
Ich lag gerade in meinem schönen warmen Bett, als ein riesiges Exemplar
in die Kajüte geflogen kam und genau neben meinem Kopf landete. Er
versuchte mit aller Gewalt, wieder wegzufliegen, was aber nicht klappte.
Also hieß es raus aus dem Bett und auf Fischjagt. Brrr... und das, wo
schon das Fangen von toten Fliegenden Fischen nicht gerade meine
Lieblingsbeschäftigung ist. Letzten Endes gelang es mir aber, ihn - um
etliche Schuppen ärmer - zu erwischen. Ich hoffe, daß er seine Lektion
gelernt hat und auch seinen Freunden erzählt hat, daß sie besser nicht
bei mir an Bord springen sollten!
Grüße und EIN FROHES NEUES JAHR! Laura
Thomas Weber
Lauras Logbuch
Woche 70
'Auf der Zielgeraden in Richtung Karibik'
Südlicher Atlantischer Ozean zwischen Kapstadt und Saint Helena
Donnerstag, 22. Dezember 2011, 11.20 Uhr
Es ist komisch, aber ich habe gerade die Welt umsegelt. Ich bin nämlich
über den Längengrad der Niederlande gesegelt. Und in ein paar Tagen,
wenn ich an der Insel Saint Helena vorbeisegle, die auf demselben
Längengrad liegt wie Gibraltar, bin ich wirklich einhand um die Welt
gesegelt. Ich muß noch etwa 4600 Seemeilen [8519 Kilometer] bis in die
Karibik segeln, dann bin ich offiziell 'rund'. Ich habe mich
entschieden, dort meine Reise zu beenden, damit ich von dort aus weiter
nach Whangarei in Neuseeland, meinem Geburtsort, segeln kann. Verglichen
mit der Anzahl Seemeilen, die Guppy und ich schon unter dem Kiel haben,
scheint 'die Karibik' wirklich zum greifen nah, aber andererseits noch
so weit weg zu sein. Die ersten zwei Tage nach der Abfahrt aus Kapstadt
hatten wir raues Wetter, und danach sind wir in eine Flaute geraten und
kamen kaum voran. Jetzt aber habe ich einen schönen Passatwind erwischt.
Es ist großartig, bei so einem tollen Wind auf See zu sein. Darüber
hinaus wird es auch ständig wärmer, was auch prima ist. Es gelingt mir
auch, nachts gut zu schlafen, obwohl es manchmal ziemlich kalt ist. Die
Tage fliegen vorbei, und da ich kaum die Segel trimmen oder den Kurs
verändern muß, habe ich eine Menge Zeit um Gitarre zu spielen oder zu
lesen. Und manchmal blicke ich einfach den Wellen nach und denke über
dieses und jenes nach. Der einzige Wermutstropfen ist, daß ab und zu ein
Tintenfisch aufs Deck springt, den ich dann natürlich wieder über Bord
werfen muß. Ich kann Euch sagen, diese Viecher anzufassen ist viel
ekliger als ausgetrocknete Fliegende Fische. Tintenfische kleben nämlich
oft auf Deck fest, und wenn ich versuche, sie wegzuziehen, reiße ich
sie auseinander - und dann muß ich noch mehr saubermachen. Na gut, das
ist auch so ziemlich das größte Problem, das ich im Augenblick an Bord
habe. Mit anderen Worten: es läuft super. Grüße, Laura
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Thomas Weber
Lauras Logbuch
Woche 69
Ein unvergessliches Erlebnis
Kapstadt
Donnerstag, 15. Dezember 2011, 12.25 Uhr
WOW! Am vergangenen Wochenende hatte ich das großartigste Erlebnis
meines Aufenthalts in Kapstadt, was zweifellos auch ein absoluter
Höhepunkt meiner ganzen Reise war. Vor Kurzem war ich bereits an Bord
der Camper, dem Boot des Neuseeländischen Teams, das am Volvo Ocean Race
teilnimmt, eingeladen worden, um es mir anzusehen. Jetzt aber fragten
sie mich auf einmal, ob ich mitsegeln wolle. Ich durfte beim Hafenrennen
[PRO-AM Race], das vor dem Start der zweiten Etappe durchgeführt wurde.
Offen gesagt kann man mich nicht so leicht beeindrucken - aber ich war
hin und weg. Es war großartig, das Boot bei hoher Geschwindigkeit durchs
Wasser fliegen zu sehen. Daneben war es für mich sehr lehrreich, einem
Team zuzusehen, das nur auf ein Ziel ausgerichtet ist, nämlich das
letzte Bisschen Geschwindigkeit aus dem Boot herauszuholen. Ich muß ja
immer alles alleine machen. Und noch eine Gelegenheit, auf einem VOR
Boot mitzufahren, wird sich so schnell nicht ergeben. Ich werde diese
Erfahrung daher für den Rest meines Lebens nicht mehr vergessen. Am
vergangenen Montag [Sonntag] haben die VOR Boote Kapstadt in Richtung
Abu Dhabi verlassen. Nachdem ich ihnen nachgewunken hatte, habe auch ich
den Anker gelichtet und befinde mich nun wieder auf dem Atlantischen
Ozean. Zu Beginn hatten ’Gup’ und ich Glück, da uns ein kräftiger Wind
in die richtige Richtung voranbrachte. Leider hat der Wind inzwischen
gedreht und stark zugenommen, wodurch es schwieriger geworden ist, uns
auf Kurs zu halten. Zu allem Überfluß bekomme ich auch eine Welle nach
der anderen ab. Aber was soll’s, ich wußte schon vorher, daß die ersten
500 Seemeilen kein Zuckerschlecken werden würden. Wir werden die Ohren
steifhalten. Der viele Schiffsverkehr hier ist auch ziemlich lästig. Da
ich die ganze Zeit aufpassen muß, habe ich nachts kaum Gelegenheit, zu
schlafen. Hoffentlich komme ich wenigstens am Tag dazu, ein paar
Nickerchen zu halten. Davon abgesehen läuft alles prima. Wieder in
meinen gewohnten Seerhythmus hineinzufinden ist für mich erst einmal das
Wichtigste - aber das wird schon von selbst klappen. Grüße, Laura
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam
Thomas Weber
Lauras Logbuch
Woche 68
Guppy hängt in den Seilen
Kapstadt, Donnerstag, 8. Dezember 2011, 11.53 Uhr
Guppy steht im Augenblick an Land, aber zum Glück wird sie morgen früh
wieder zu Wasser gelassen. Mein Ein und Alles durch die Luft schweben zu
sehen und ohne das vertraute Geräusch der Wellen schlafen zu müssen ist
schon ziemlich hart für mich - aber es mußte sein. Damals in Darwin
habe ich ein paar kleinere Probleme festgestellt aber erst jetzt lösen
können, und davon abgesehen kann eine gründliche Inspektion nach einer
fast vollständigen Weltumsegelung auch nichts schaden. In den letzten
Tagen habe ich Proviant eingekauft und einige Vorbereitungen für die
nächste Überfahrt getroffen. Aber dazwischen habe ich auch etwas Zeit
gefunden, um Kapstadt zu genießen. Letzte Woche bin ich auf den
Tafelberg gestiegen. Wir sind im Morgengrauen zu unserer Tour
aufgebrochen, und zweieinhab Szunden und eine schöne Klettertour später
standen wir auf dem Gipfel. Zu meiner Überraschung war der Gipfel nicht
flach sondern hügelartig. Dort zu stehen und dei Aussicht auf Kapstadt
zu genießen war einfach atemberaubend. Nach einer Stunde zogen Wolken
auf, was einerseits recht schade war; andererseits aber war es
außergewöhnlich, dort oben inmitten der Wolken zu stehen. Ich bin auch
am Kap der guten Hoffnung gewesen, dem 'südlichsten' Punkt von Afrika,
wie die Leute sagen. Tatsächlich ist das Kap Agulhas der südlichste
Punkt, doch auch das Kap der Guten Hoffnung ist ein besonderes und
herausragendes Stück Fels. Endlich konnte ich mit meinen eigenen Augen
sehen, was ich mitten in der Nacht umsegelt habe. Für die nächsten Tage
habe ich keine genauen Pläne gemacht. Letzte Woche war ich zu Besuch auf
der 'Camper', dem Boot des Neuseeländischen Teams [und der Vereinigten
Arabischen Emirate] das am Volvo Ocean Race teilnimmt, und ich bin auch
zu einem Besuch auf dem Boot des französichen Teams, der 'Groupama',
eingeladen worden. Ich finde es großartig, auch dieses Boot genauer
kennenzulernen und mit der Besatzung plaudern zu können. Am kommenden
Wochenende fahren die Boote wieder los um die zweite Etappe nach Abu
Dhabi in Angriff zu nehmen. Es wird dann auch nicht mehr lange bis zu
meiner eigene Abfahrt dauern. Der genaue Termin hängt vom Wetter ab.
Aber ich habe die vermutung, daß ich Weihnachten dieses Jahr auf See
feiern werde. Grüße, Laura
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam
Thomas Weber
Lauras Logbuch
Woche 67
Schaukelnd in Richtung Tafelberg
Kapstadt, 1. Dezember 2011, 10.16 Uhr
Auf dem letzten Stück nach Kapstadt fühlte ich mich wie auf einer
Unterwasser-Achterbahn. Nachts mußte ich das Großsegel dreimal reffen,
und schließlich raste Guppy nur unter gesetzter Sturmfock mit 8 Knoten
[14,8 km/h] und heftig stampfend in Richtung des Kaps der Guten
Hoffnung. Der Wind nahm immer weiter zu bis auf Windstärke 10
[Windgeschwindigkeit 89 - 102 km/h]. Letztendlich war das selbst der
Sturmfock zu viel. Allein schaffte ich es aber nicht, sie einzurollen,
und so mußte ich sie von Hand herunternehmen. Innerhalb von zwei
Sekunden war ich vollkommen durchnäßt. Da das Wasser hier nur 13° warm
ist, besserte das meine Stimmung nicht unbedingt. Aber zum ersten Mal
seit wir die Galápagosinseln verlassen haben, schwammen Pinguine und
Robben um uns herum. Das war natürlich wunderbar! Im Morgengrauen
tauchte der Tafelberg als grau-brauner Riese neben mir auf, und obgleich
ihre Masten jetzt kahl waren, holte Guppy noch immer extrem über. Durch
die tiefstehende Sonne und die Gischt konnte ich auf dem letzten Stück
zum Hafen überhaupt nichts sehen. Irgendwie habe ich es aber dann doch
geschafft, 'Gup' sicher zwischen den Molen hindurchzusteuern. Ich kam
gerade zur rechten Zeit, um die Camper, das Boot des Neuseeländischen
Volvo Ocean Race Teams, einlaufen zu sehen. Am Montag durfte ich mir das
Boot sogar ansehen. Was für ein Unterschied zu Guppy! Die Camper ist
fast ebenso schwer, aber viel größer, und auf pure Geschwindigkeit hin
ausgelegt. An Bord gibt es kaum Komfort. Die Kabine ist kahl, und die
Besatzungsmitglieder schlafen in einer Art von Netzen, die zwischen
Pfählen befestigt sind. Während des Rennens verlangen die Teams ihren
Booten das Äußerste ab. Von den insgesamt sechs Booten sind schon drei
ausgefallen, wovon zwei einen Mastbruch erlitten haben. Diese Schicksal
möchte ich meiner lieben Guppy ersparen. Der Rundgang auf dem Boot war
aber trotzdem sehr eindrucksvoll. Durch das Volvo Ocean Race ist eine
Menge los in der Stadt, aber Kapstadt ist auch so fantastisch. Ich weiß
noch nicht, wie lange ich bleiben werde, auf jeden Falle aber lang
genug, um mit der Niederländischen Vereinigung Sinterklaas zu feiern [5.
Dezember] und den Neustart des Volvo Ocean Race nach Abu Dhabi
mitzuerleben. Grüße, Laura
Thomas Weber
Lauras Logbuch
Woche 66
Meeres- und Landgiganten
Ort: Port Elizabeth
Mittwoch, 23. November 2011, 20.55 Uhr
Der Wind stand günstig, und so konnten Guppy und ich von Durban nach
Port Elizabeth durchfahren. Die Tour begann recht vielversprechend. Ich
habe einige Wale gesehen, von denen einer ganz nah herankam. Leider
blieb er nicht lange genug an der Oberfläche um ihn zu fotografieren.
Und dann wurde ich plötzlich in der Nacht vor meiner Ankunft in Port
Elizabeth krank. Vielleicht konnte mein Magen nach 48 Tagen auf See mit
ausschließlich Wasser, Spaghetti und Reis das Essen für Landratten
einfach nicht mehr vertragen, oder ich habe irgendwas Falsches gegessen.
Möglicherweise saß auch zwischen den ganzen Abgasen in Durban irgendein
kleiner, gemeiner Virus, der es ausgerechnet auf mich abgesehen hatte.
Was auch immer der Grund gewesen sein mag, ich habe mich jedenfalls
während der ganzen Nacht ständig übergeben müssen. Irgendwann fühlte ich
mich so hundeelend, daß ich mich mehrere Male für zehn Minuten schlafen
gelegt habe, selbstverständlich bei eingeschaltetem Radar- und
Alarmsystem, und gegen Morgen fühlte ich mich schon etwas besser. Am
nächsten Morgen war ich wieder fit genug, um Guppy sicher in den Hafen
von Port Elizabeth hineinzumanövrieren. Nachdem ich mich den Tag über
ausgeruht und eine Nacht lang gut geschlafen hatte, bin ich mit meinen
neuen Stegnachbarn zum Addo Elephant National Park, einem Naturpark etwa
50 Kilometer von Port Elizabeth entfernt, gefahren. Ich bin wirklich
froh, daß ich diese Tour mitgemacht habe. Es war wirklich atemberaubend,
innerhalb kurzer Zeit die Meeresgiganten und die Landgiganten aus
nächster Nähe zu sehen. Wir haben eine Herde von mindestens einhundert
Elefanten gesehen, die sich um ein Schlammloch herum versammelt hatten.
Daneben haben wir Büffel, Zebras, Vogelstraußen und eine Menge anderer
Tiere gesehen. Sehr eindrucksvoll. Aber so beeindruckend es auch war, am
liebsten wäre ich danach sofort weitergesegelt in Richtung des Kaps der
Guten Hoffnung. Aber im Augenblick weht ein kräftiger Wind, und dazu
noch genau aus der falschen Richtung. Ich fürchte, daß ich hier noch ein
paar Tage auf ein günstiges Wetterfenster warten muß. Andererseits ist
es auch gar keine so schlechte Idee, mich endlich von der langen
Überfahrt von Darwin zu erholen. Grüße, Laura
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Thomas Weber
Lauras Logbuch
Woche 65
Torkelnd durch den Hafen von Durban
Donnerstag, 16. November 2011, 20.11 Uhr
Ich bin wieder an Land! Es ist merkwürdig, nach 47 Tagen auf dem
Indischen Ozean wieder Land zu sehen, geschweige denn, wieder über
festes Land zu laufen. Wenn man lange Zeit auf See gewesen ist, wird das
hin und her schaukeln des Bootes zur normalsten Sache der Welt. In
aller Kürze: als ich vor ein paar Tagen in Durban von Bord ging, hatte
ich große Mühe, geradeaus zu gehen und nicht im Wasser zu landen.
Nachdem ich ein bisschen geübt hatte, schaffte ich es auch,
schnurstracks zum Büro des Hafermeisters zu gelangen. Dort angekommen
fiel der Zollbeamte fast in Ohnmacht als er hörte, daß ich den ganzen
Weg von Darwin nach Durban einhand gesegelt bin. Erst als ich ihm meine
Webseite gezeigt hatte, gab er mir den Einklarierungsstempel und eine
Aufenthaltserlaubnis für Südafrika. Wieder an Land zu sein ist
merkwürdig und großartig zugleich. Es war herrlich, zum ersten Mal seit
eineinhalb Monaten wieder eine schöne, warme Dusche nehmen zu können,
frisches Essen bekommen zu können, Guppy entsalzen zu können und endlich
wieder die ganze Nacht lang an einem Stück durchzuschlafen.
Andererseits war es auch ganz schön heftig, nach einer langen Zeit der
Ruhe wieder in einer hektischen Stadt - der hektischsten von ganz
Südafrika übrigens - mit all den Menschen, großen Gebäuden und vielen
anderen Arten von Krach und Chaos zu sein. Zum Glück konnte ich alldem
schnell wieder entkommen. Eine Familie aus Neuseeland mit zwei Kindern
im Alter von acht und zehn hatte ein Auto gemietet um damit in die Berge
zu fahren. Ob ich vielleicht mitkommen möchte? Natürlich! Und innerhalb
von zwei Sekunden saß ich in einem Auto, das - etwas schneller als
Guppy - in Richtung der Berge fuhr. Wir ließen die Hektik der Stadt bald
hinter uns, und während wir durch die großartige Berglandschaft fuhren,
kehrte allmählich wieder Ruhe ein. Es war herrlich, die stinkende
Dunstglocke der Stadt aus den Abgasen der Frachtschiffe, Autos und
Güterzüge gegen frische Bergluft zu tauschen. Aber letztendlich kann
nichts einem Vergleich mit frischer Seeluft standhalten. Grüße, Laura
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
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Zeilmeisje Laura Dekker
Lauras Logbuch
Laura Dekker will mit ihrem Segelboot 'Guppy' als jüngster Mensch die
Welt umsegeln. In ihrem Logbuch berichtet das 'Zeilmeisje'
[Segelmädchen] jede Woche über ihre Erlebnisse.
Woche 1
'Ich habe nur zwei Schiffe und eine Schule Delfine gesehen'
Donnerstag, 26. August 2010, 9.50 Uhr
"Ein Jahr lang habe ich gekämpft, und nun ist es soweit: ich bin allein
auf meiner Reise. Am ersten Tag, nach meiner Abreise aus Gibraltar,
fühlte es sich noch unwirklich an. Aber jetzt ist 'der Groschen
gefallen'. Auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln habe ich lediglich zwei
Segelschiffe und eine Schule Delfine gesehen. Darüber hinaus habe ich
nur Wasser gesehen. Und das war großartig. Ich fühlte mich frei, und ich
konnte die Ruhe, die ich so dringend brauchte, genießen. Das Segeln
läuft genauso, wie ich es mir vorgestellt hatte. Man ist den ganzen Tag
lang mit dem trimmen der Segel, dem festlegen des Kurses, und dazwischen
mit kochen und schlafen beschäftigt. Die Zeit fliegt nur so vorbei. Am
ersten Tag war ich leider durch das rollen des Bootes seekrank geworden.
Jeder Segler hat damit zu Beginn einer Reise Schwierigkeiten - da muß
man durch. Zum Glück war das schnell vorbei, und dank des kräftigen
Windes verlief meine Reise zu den Kanarischen Inseln viel schneller als
erwartet. Ich mußte jedoch eine Nacht lang den Motor benutzen. Ich bin
bereits am Mittwochnachmittag angekommen. Wo genau ich jetzt bin verrate
ich lieber nicht; ich bin den ganzen Zirkus um mich herum ziemlich
satt. Ich bin auch nicht von ungefähr in letzter Minute nach Gibraltar
ausgewichen, um von dort in aller Stille ablegen zu können. Ich liege
mit meinem Schiff zwischen ein paar einheimischen Booten und bin bisher
noch nicht erkannt worden. Ich habe auch noch keine anderen Niederländer
getroffen. Natürlich vermisse ich meine Eltern, meine Schwester, meinen
Hund Spot, Oma und Opa und andere Familienmitglieder und Freunde
gelegentlich. Aber ich bin noch immer viel zu glücklich über den Start
meiner Reise um schon Heimweh zu haben. Ganz im Gegenteil - ich würde an
liebsten weitersegeln. Alles in allem ist es hier am Meer bei
Sonnenschein und einer fantastischen Aussicht ganz gut auszuhalten. In
den nächsten Tagen werde ich die Insel erkunden. Mehr darüber nächste
Woche!"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Lauras Logbuch
Woche 2
Donnerstag, 2. September 2010, 14.20 Uhr
'Pfuschen macht keinen Spaß wenn man es darf'
"Ich hätte niemals gedacht, daß mein Leben hier so anders sein würde.
Zu Hause in Zeeland [NL] bin ich gewöhnlich um 6 Uhr aufgestanden um mit
meinem Hund Spot Gassi zu gehen, dann fuhr ich mit dem Fahrrad zwölf
Kilometer weit zur Schule, egal ob es schneite oder regnete. Hier stehe
ich um 8 Uhr auf - ausschlafen ist unmöglich, da man sonst aus dem Bett
herausgebrannt würde; ich hatte diese Woche 48 °C in der Kabine! - und
beginne sofort mit den Schularbeiten. Ich habe von der 'Wereldschool'
['Weltschule'; eine staatlich anerkannte Schule für niederländische, im
Ausland lebende Kinder, die von ihren Eltern unterrichtet werden] einen
Lehrplan erhalten. Jeden Tag muß ich für vier Fächer lernen. Ich habe
Erklärungen für alles mitbekommen, die normalerweise der Lehrer gibt.
Die Schularbeiten sind jedoch die gleichen: ich muß Regeln lernen und
für Sachkunde oder Biologie praktische Versuche durchführen. Hierfür
habe ich Materialien wie Reagenzgläser und Chemikalien etc. bekommen.
Zum Glück haben wir das Sezieren eines Schafherzens schon im letzten
Schuljahr durchgenommen. Über das Internet kann ich den Lehrern Fragen
stellen, aber bisher war es nicht nötig. In Mathematik-A laufe ich dem
Lehrplan etwas voraus. Nächste Woche muß ich meine erste Klassenarbeit
schreiben. Ich habe eine CD-Rom mit allen Tests. Theoretisch könnte ich
meine Bücher dafür benutzen, aber pfuschen macht gar keinen Spaß wenn
man es darf. Es ist lustig, daß ich früher immer bis 16 Uhr in der
Schule war, und nun innerhalb von zwei Stunden fertig bin. Dann mache
ich gewöhnlich einen Spaziergang durch den Hafen. Ich habe schon viele
Leute kennengelernt, und ich bin ein paar Mal mit den Jugendlichen der
örtlichen Segelschule segeln gewesen. Des Weiteren räume ich gegen
Mittag mein Boot auf oder lese im Schatten. Abends koche und esse ich,
gehe duschen, pflege meine Webseite und telefoniere mit meiner Familie.
Aber nicht mit meinem Vater, denn mit ihm kann ich von Angesicht zu
Angesicht sprechen. Er ist vorbeigekommen, um das Problem mit dem Ruder
zu beheben. Es ist schön, ihn wiederzusehen, aber auch merkwürdig. Erst
habe mich daran gewöhnen müssen, allein zu sein, und jetzt muß ich mich
daran gewöhnen, daß er wieder hier bei mir ist.
Rescuerdos!, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
ZEILMEISJE
Das Ruder bewegt sich wieder - mit Hilfe von Papa Dekker
Woche 3
Donnerstag, 9. September 2010, 15.15 Uhr
'Ich quäle mich durch Chemie und laufe auf dem Mond'
"ARGH! Eigentlich war ich gerade dabei, mich durch Chemie zu quälen.
Aber ich lege meine Schulsachen zu gern beiseite um an meinem Logbuch
weiterzuschreiben. Letzte Woche habe ich über die Reparatur am Ruder
berichtet, für die mein Vater vorbeigekommen war. Das Problem war
'irgendwas mit einem Lager', wodurch das Ruder rosten könne. Wäre ich
nonstop weitergesegelt, hätte ich hiervon nichts bemerk. Aber als ich im
Hafen lag, merkte ich auf einmal, daß das Ruder plötzlich schwergängig
war. Ich selbst hatte die nötige Ausrüstung [für die Reparatur] nicht
dabei, aber mein Vater schon. Er hatte eigentlich geplant, nur kurz zu
bleiben, jedoch gehen von Lanzarote nur selten Flüge ab... Seiner
zusätzlichen Zeit hier haben wir genutzt, um mehr von der Insel zu sehen
als nur die Küste, und haben eine Rundreise mit einem Mietwagen
gemacht. Das Besondere ist, daß die Insel sehr viele Vulkane aufzuweisen
hat, und großenteils mit Lava bedeckt ist. In manchen Gegenden scheint
es so, als würde man über den Mond laufen. Wir haben Lavatunnel gesehen
und eine Grotte mit einem kleinen See darin, umgeben von Bäumen und
Sträuchern. So etwas würde man dort nicht erwarten. Obwohl hier auf der
Insel eigentlich nichts wächst, versuchen die Inselbewohner trotzdem,
Verschiedenes anzubauen. Die Art und Weise, wie sie das tun, ist
seltsam: sie graben Löcher in die Berghänge, und pflanzen etwas darin.
Dann setzen sie eine Mauer drum herum, damit das Ganze nicht weggeweht
wird. Wirklich interessant! Und obwohl ich mich für den
Erdkundeunterricht noch nicht mit der Erdkruste befasst habe, nahm ich
diese Gratislektion gerne an. Mein Vater ist wieder nach hause geflogen,
und ich werde in Kürze Kurs auf eine andere Insel nehmen. Obwohl ich ab
und zu eine Segeltour mit den Jugendlichen von der Segelschule hier im
Hafen mache, wird es doch Zeit, daß ich mit 'Guppy' wieder in See
steche. Nach Teneriffa, La Gomera, oder doch lieber...? Ach was, ich
habe Zeit genug! Adios, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Laura
Dekker (14) will mit ihrem Segelboot 'Guppy' als jüngster Mensch die
Welt umsegeln. In ihrem Logbuch berichtet das 'Zeilmeisje'
[Segelmädchen] jede Woche über ihre Erlebnisse.
'Ich habe bald Geburtstag und gehe wieder auf die Reise'
Woche 4
16. September 2010, 12.40 Uhr
"Hier ist es noch immer brütend heiß, jedoch weht nun ein kräftiger
Wind. An sich wäre das prima, aber ich muß in der Kabine sitzen, um
nicht ständig den feinen Wüstensand essen zu müssen, der mit dem Wind
heranweht. Obwohl ich Lanzarote großartig finde, werde ich in Kürze
wieder aufbrechen. Ich kann noch ein paar Wochen ausruhen, und ich fände
es großartig, nach Las Palmas zu segeln. Eigentlich wollte ich nächsten
Montag lossegeln, aber das ist mein Geburtstag, und obwohl ich nicht
feiern werde, scheint mir das dann doch zu verrückt. Also werde ich erst
Dienstagnachmittag ablegen - es sei denn, es gibt dann schlechtes
Wetter; in diesem Fall werde ich doch Montag lossegeln, und hoffe, am
Mittwochnachmittag anzukommen. Ich habe für zwei Wochen einen
Gratis-Liegeplatz in einem Hafen [auf Las Palmas], und danach werde ich
wahrscheinlich für eine Weile in einer Bucht vor Anker gehen. Die
meisten Seglertun das: ein Liegeplatz in einem Hafen kostet einhundert
Euro pro Tag, und wenn man vor Anker liegt, benutzt man ein 'Dighy'
(Schlauchboot) um an Land zu gehen. Diese Woche bin ich zum Baumarkt
geskatet um Farbe zu besorgen. Ich habe damit auf meiner Ankerkette alle
zehn Meter einen Gelben Streifen angebracht. Dadurch kann ich sehen,
wie viel Ankerkette ich 'strecke' (ausbringe) wenn ich vor Anker gehen
will. Die meisten Schiffe strecken 30 Meter bei gutem Wetter. Wenn man
mehr Kette streckt und der Wind dreht ist die Gefahr groß, anderen
Schiffen ins Gehege zu kommen. Abgesehen vom Markieren der Ankerkette
habe ich eigentlich weiter nicht viel zu tun. Bevor ich ablege muß ich
lediglich die 'Verstagung' (die Stahldrähte, die die Masten aufrecht
halten) kontrollieren, und sicherstellen, daß alle 'Verschlüsse'
(Wasserhähne) und die Luken dicht sind. Tut man das nicht bevor man mit
einem Schiff in See sticht, ist das Ergebnis davon unter Umständen ein
salziges Wasserbett. Das ist mir bei meiner ersten Tour nach England [im
Mai 2009] passiert, haha... Für die nächsten Tage habe ich noch keine
Pläne gemacht. Heute werde ich jedoch noch etwas Angenehmes tun: ich
werde mit einem Niederländischen Ehepaar, das auf Weltreise geht, zu
Abend essen. Ich bin gespannt, von ihren Plänen zu hören. Bis zum
nächsten Mal, dann von Las Palmas, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Geburtstag!
Woche 5
Donnerstag, 23 September 2010, 12.45 Uhr
"Ich fühle mich noch nicht wie 15, aber seit letztem Montag bin ich es.
Obwohl ich nicht feiern wollte, hatte ich doch einen wunderschönen Tag.
Früh morgens um halb sieben wurde ich schon von meiner Mutter und
meiner Schwester aus dem Bett gesungen. Nicht viel später hingen auch
mein Vater und mein Oma und mein Opa an der Strippe, und von der
Hafenmeisterei kam eine riesige Geburtstagstorte. Den Rest meines
Geburtstages habe ich hauptsächlich unter Wasser verbracht. Ich habe zum
ersten Mal in (sub-) tropischen Gewässern geschnorchelt und konnte mit
eigenen Augen die Schönheit der Unterwasserwelt bestaunen. Das war
gleichzeitig auch mein Abschied von Lanzarote. Am Dienstagmorgen bin ich
in Richtung Gran Canaria aufgebrochen. Die Überfahrt verlief
reibungslos. Als ich aus dem Hafen herausfuhr, hatte ich sofort Wind von
achtern, wodurch ich unter Vollzeug segeln konnte. Da Vollmond war,
wurden die Wellen nachts wunderbar beleuchtet. Ich kam bereits um sechs
Uhr morgens in völliger Dunkelheit an. Ich bin dann sofort schlafen
gegangen - das konnte ich während der Überfahrt nicht. Als ich erwachte,
war die Überraschung groß: überall um mich herum lagen grüne Berge.
Vollkommen anders als das knochentrockene Lanzarote. Da es sofort
anfing, in Strömen zu regnen, konnte ich nicht von Bord gehen - jedoch
war mein Boot sofort sauber und entsalzt. Ich habe dann extra viel
Schularbeiten gemacht: die erste Klassenarbeit habe ich hinter mir.
Unter Anderem habe ich eine 9 in Deutsch und eine 8 in Biologie
bekommen [Schulnoten in den Niederlanden: 1 - 5 nicht bestanden; 5,5
bestanden - 6 ausreichend - 7 befriedigend - 8 gut - 9 sehr gut - 10
ausgezeichnet]. Gar nicht schlecht, oder? In den nächsten tagen werde
ich losziehen und neue Leute kennenlernen. Das nächste Mal werde ich
viel von meinen ersten Abenteuern hier zu berichten haben. Grüße, Laura"
Zeilmeisje Laura Dekker
Lauras Logbuch
Woche 6
'Ich bin wieder ich'
Mittwoch, 29. September 2010, 15.23 Uhr
"Gestern stand ich am Rande eines Vulkans (ich meine das ganz
wörtlich). Es war großartig dort ganz allein zu stehen. Ich hatte eine
Aussicht über ganz Gran Canaria, und in der Ferne konnte ich sogar die
Gipfel der Berge von Teneriffa sehen. Es war nicht nur die Aussicht, die
mich begeisterte: in diesem Augenblick erkannte ich, daß ich mich
wieder ganz wie ich selbst fühlte. Das hat nach meiner Abreise aus den
Niederlanden eine ziemliche Weile gedauert. Ich hatte dort so viel um
die Ohren: Behörden, Journalisten, Gerichtsverhandlungen - und
dazwischen war ich Tag und Nacht damit beschäftigt, meine Reise
vorzubereiten. Und auf einmal segelte ich von Gibraltar ab und war ganz
allein... Daran mußte ich mich erst gewöhnen. Ich fühlte mich sogar
einsam, ein Gefühl das ich noch niemals vorher gehabt habe. Es war so,
als ob man sich in einer Gruppe von Menschen befindet, die einem dauernd
widersprechen, und dann wird man dort plötzlich herausteleportiert und
steht allein auf weiter Flur. Zum Glück legte sich dieses Gefühl schnell
wieder, und nun fühle ich mich prima. Ich liege hier in einem ziemlich
ruhigen, abgelegenen Hafen - nur am Wochenende ist hier ziemlich viel
los und der Hafen wird dann schwer bewacht. Abends genieße ich das Wogen
den Wellen, den leise rauschenden Wind und die Sterne, die hier viel
deutlicher zu sehen sind als in den Niederlanden. Wenn ich will kann ich
innerhalb von einer Minute Kontakt mit meiner Familie oder meinen
Freunden aufnehmen. Obwohl ich allein bin, langweile ich mich eigentlich
nie, denn es gibt immer irgendwas zu tun. Von lesen über fotografieren
oder schwimmen bis hin zu notwendigen Übeln wie Schularbeiten, kochen
und mein Boot saubermachen... Aber auch diese Dinge fallen mir nicht
mehr schwer, da ich alles selbst bestimmen kann. Es ist kein 'muß' mehr
dahinter, und das ist der große Unterschied. Ich darf und kann wieder
ich selbst sein, und das fühlt sich einfach großartig an. Saludos!
Laura"
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 7
'Segler sind sehr relaxed'
Donnerstag, 7. Oktober 2010, 12.57 Uhr
"Ich war gerade mit meinem ersten Chemieexperiment beschäftigt und
mußte mit Hilfe eines Reagenzglases, Wasser und Filterpapier das
Brennverhalten von Erdgas testen. Ziemlich kompliziert, und darum finde
ich es auch nicht schlimm, einen Augenblick zu unterbrechen um an meinem
Logbuch weiterzuschreiben. So langsam laufen hier im Hafen mehr und
mehr Segelschiffe ein, die in Kürze den Atlantik überqueren wollen. Die
meisten bleiben nur kurz und gehen dann irgendwo in der Nähe vor Anker.
Es ist schön, all die Leute an Bord kennenzulernen. Die Seglerszene ist
sowieso ziemlich relaxed. Da alle diese Leute segeln, weiß jeder wovon
er spricht, und es ist ganz nett wenn man Erfahrungen austauschen kann.
Und wenn jemand irgendwo hingeht darf man oft mitkommen, oder man wird
gefragt, ob man irgendetwas benötigt. Kürzlich habe ich eine Familie,
die hier wohnt und Bootstouren zu den Delfinen organisiert,
kennengelernt. Ich durfte mit auf so eine Tour - die springenden Delfine
waren großartig -, und ich darf auch ihre 'Mooring', eine Art
Ankerplatz, nutzen sobald ich hier aus dem Hafen weg muß. Nicht nur die
Segler sind sehr nett. Ich lerne hier ständig neue, nette Menschen
kennen. Letztens bin ich mit Leuten, die hier 'überwintern' im örtlichen
Niederländischen Club gewesen, um bei Hering, Weißbrot und
Möhreneintopf 'Leidens Ontzet' [Leidens Befreiung, siehe Anmerkung
unten] zu feiern. Ziemlich verrückt bei 25° Außentemperatur. Ebenso
verrückt war es zu hören, daß Gran Canaria irgendwann mal für eine Woche
Niederländisches Territorium war! Von anderen Leuten habe ich einen
Berg Obst bekommen. Ich trinke jeden Tag Bananen Milchshake und habe ein
großes Problem: einen Menge reifer Bananen. Vielleicht ist es an der
Zeit, sie mit anderen zu teilen? Ihr merkt es schon: ich habe immer
irgendwas zu tun und habe noch einige schöne Dinge in Aussicht. Ich
werde diese Woche meinen Tauchschein in Angriff nehmen. Vorgestern habe
ich hier meinen ersten Tauchgang gemacht. Es war cool zu sehen, was dort
alles tief unter der Wasseroberfläche lebt. Einen Krake, Tintenfische
und eine menge anderer Tiere. Das hier ist etwas ganz anderes als die
dunklen und trüben niederländischen Binnengewässer, haha... Nun noch ein
weiterer Tauchgang und dann werde ich die Schulbank drücken um die
Theorie zu lernen. Bis nächste Woche, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Leidens Ontzet: Im Achtzigjährigen Krieg schloss sich die Stadt Leiden
dem Aufstand gegen die Spanier an. Nach einer seit dem 25. Mai währenden
Belagerung gelang es den Geusen, unter anderem durch Fluten der
umliegenden Polder, am 3. Oktober 1574 die Stadt zu befreien. Die
Legende will, dass nach der Vertreibung der spanischen Belagerer in
deren Lager eine Pfanne mit Möhren-Eintopf (hutspot) gefunden wurde.
Damit konnte die ausgehungerte Stadtbevölkerung erstmals wieder eine
ordentliche Mahlzeit haben. Darum wird dieses Gericht jedes Jahr bei den
Feiern von Leidens ontzet am 3. Oktober in allen Restaurants serviert.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Leiden_(Stadt)
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 8
'Ein Souvenir'
Donnerstag, 14. Oktober, 12.43 Uhr
" 'Wann segelst Du weiter?' oder 'Wann geht Deine Reise wirklich los?'.
Diese Fragen werden mir immer wieder aufs Neue gestellt. Aber ich bin
schon seit 52 Tagen wirklich auf Weltreise. Seit meiner Abreise aus
Gibraltar habe ich schon 1575 Kilometer zurückgelegt. Viele Menschen
sind der Ansicht, daß meine Reise erst mit der Überquerung des
Atlantischen Ozeans beginnt. Aber entlang der Küste zu fahren und sich
vor Unterwasserfelsen und Schiffsverkehr in Acht zu nehmen, ist viel
schwieriger als drei Wochen lang einen Ozean zu überqueren! Ich habe
mich dazu entschieden, mit der Überfahrt erst nach Ende der
Hurrikansaison zu beginnen, die bis Ende November dauert. Ich habe es
nicht eilig: meine Reise ist auf zwei Jahre angelegt, und meine
Sicherheit steht an erster Stelle. Der Vorteil des Wartens ist, daß ich
eine Menge Zeit hier auf Gran Canaria habe. Diese Zeit nutze ich für
meine Schularbeiten, einen Tauchkurs, oder, wie heute, für eine
Wanderung durch die Berge. Die Insel überrascht mich immer wieder. Im
einen Moment wähnt man sich mitten in der Sahara, und im nächsten
Augenblick steht man auf einmal am Rande eines von einem Nadelwald
umgebenen Bergsees. Von jedem Ort den ich besuche, möchte ich mir ein
Souvenir mitnehmen. Zuerst dachte ich an ein Fläschchen voll Sand, aber
auf diese Weise würde 'Guppy' in null Komma nichts vollgestopft sein,
und wahrscheinlich ist es nicht so angenehm, wenn das alles durch die
Kabine fliegt wenn wir wieder auf See sind. Kleine Objekte sind
vernünftiger; von Lanzarote habe ich mir ein Stück Stein mitgenommen.
Ich habe noch zwei Wochen Zeit, um über mein Souvenir von Gran Canaria
nachzudenken, denn danach gehe ich wider 'richtig' segeln... zu den Kap
Verdischen Inseln. Bis dahin wird 'Guppy' nicht völlig still liegen.
Heute Abend breche ich auf um zu einer 'Mooring' zu fahren, einem
Ankerplatz, der der Familie gehört, die die Delfin Touren organisiert,
und den ich benutzen darf. Ich darf auch noch für eine Woche in einem
Hafen im Osten [Süd- Westen] der Insel bleiben. Ich finde es super, daß
meine Mutter und meine Schwester zu Besuch kommen. Ich habe während der
letzten Monate oft mit ihnen gesprochen, aber mir scheint es, als hätte
ich sie seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen.
Grüße, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 9
'Zur Küste rudern'
Donnerstag, 22. Oktober 2010, 22.10 Uhr
"'Guppy' und ich sind vor einer Stunde in Puerto de Mogán, einem
kleinen Hafen, der zwischen den Bergen liegt, angekommen. Jetzt werde
ich erstmal ein neues Weblog schreiben und dann meine e-Mails checken.
Ich fürchte, daß meine Mailbox überquillt. Ich bekomme jeden Tag viele
Mails, aber während der letzten Tage hatte ich keinen Internetzugang, da
ich vor der Küste vor Anker lag. Es war echt cool, das Gefühl zu haben
wieder auf See zu sein. Tag und Nacht wiegte mein Boot auf den Wellen,
und morgens mußte ich zur Küste rudern, um Besorgungen zu machen.
Darüber hinaus lag ich in der Nähe einer netten niederländischen
Familie, die Bootstouren zu den Delfinen organisiert. Wir haben zusammen
Delfine angesehen, und wir habe auch eine Tour auf einem 'Bananenboot'
gemacht, diese Boote, die man im Sommer oft vor der Küste hin- und
herrasen sieht. Das Bananenboot wurde von einem Jetski gezogen, den ich
danach auch einmal steuern durfte. Das ging ziemlich rasant, aber ich
habe es geschafft, sitzen zu bleiben! Des Weiteren habe ich letzte Woche
meinen Tauchschein gemacht. Ich habe nun sieben Tauchgänge hinter mir
und darf überall auf der Welt tauchen. Natürlich ist das nur ein
Grundkurs im Tauchen gewesen. Meine Zeit hier vergeht immer schneller.
Es sind nur noch ein paar Tage bis meine Mutter und meine Schwester zu
Besuch kommen. Ich möchte ihnen gern diese großartige Insel zeigen.
Darüber hinaus ist es hier tagsüber noch immer 27°, so daß wir
wahrscheinlich oft schwimmen gehen werden. Sobald sie wieder weg sind,
werde ich mich in etwa vier Tagen für meine eigene Abreise fertig
machen... Einkaufen, Diesel tanken, alles an Bord nachsehen und von
vielen Menschen Abschied nehmen. Es war wunderschön, hier gewesen zu
sein, aber ich sehne mich jeden Tag etwas mehr nach der See. Adios,
Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 10
'Echt cool: Ein Engelhai mit einem riesigen Maul'
Donnerstag, 28. Oktober 2010, 15.15 Uhr
"Es ist merkwürdig, morgens wach zu werden und plötzlich Geräusche um
mich herum zu hören. Ich war inzwischen so an das Alleinsein gewöhnt,
und plötzlich sind wir zu dritt. Andererseits fühlt es sich sehr
vertraut an, wieder mit meiner Mutter und meiner Schwester zusammen zu
sein - als ob ich sie gestern zum letzten Mal gesehen hätte. Kim und
meine Mutter sind für eine Woche herübergeflogen und schlafen auch hier
auf meinem Boot. Das habe ich vor ihrer Ankunft noch schnell aufgeräumt,
haha. Es ist schön, sie wieder anfassen zu können und es ist toll,
ihnen die Insel, die ich nun schon so gut kenne, zu zeigen. Meine Mutter
und meine Schwester machen hier Ferien, und auch für mich fühlt es sich
manchmal ein bisschen so an. In den letzten Tagen sind wir viel
schwimmen gegangen, wir haben eine Tour mit einer Art U-Boot gemacht,
und ich bin mit meiner Mutter Tauchen gewesen. Wir haben einen Rochen
und einen Engelhai gesehen. Echt cool, er war etwa 1,5 Meter lang und
hatte ein riesiges, breites und flaches Maul. Und obwohl Engelhaie sehr
aggressiv sein können, hatte ich dort unter Wasser überhaupt keine Angst
vor ihm; ich habe ihn wie gebannt beobachtet. Nach ein paar Ausflügen
haben wir auch noch meinen Geburtstag nachgefeiert. Von meiner Mutter
habe ich Kleidung geschenkt bekommen, und von Kim, meiner Schwester,
eine Hängematte. Die hängt mittlerweile zwischen zwei Masten, und
meistens liegt Kim darin. Ich selbst hatte noch nicht wirklich die
Gelegenheit, sie mal auszuprobieren. Leider fliegen sie am Samstag
wieder nach Hause. Dann werde ich auch wieder 'umziehen' zu dem
Ankerplatz vor der Küste [vor Anfi], auf dem ich schon vorher gelegen
hatte. Ich werde sicher noch fünf Tage benötigen, bis ich alle
Vorbereitungen getroffen habe und wieder die Segel setzen und meine
Reise fortsetzen kann. Eigentlich finde ich es super, noch etwas länger
hier bleiben zu können! Adios, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 11
'Nächste Woche geht es nach Sal, der Hauptinsel der Kapverdischen Inseln'
Donnerstag, 4. November 2010, 14.49 Uhr
"Ich zähle bereits die Tage. Am Mittwoch nächster Woche steche ich
wieder in See. Dieses Mal in Richtung Sal, der Hauptinsel der
Kapverdischen Inseln. Dort muß 'Guppy' einklariert werden: ich muß der
Zollbehörde meine Papiere vorzeigen, und vielleicht kommen sie auch an
Bord und sehen nach, was ich so alles an Bord habe. Ein paar Tage später
fahre ich dann auf Einladung eines Mitarbeiters von Trans-Ocean, einer
Organisation, die weltweit Stützpunkte für Langstreckensegler unterhält,
weiter nach Sao Nicolau. Dort werde ich dann noch ein oder zwei Wochen
bleiben bevor ich in Richtung Karibik aufbrechen werde. Ich habe
entschieden, zuerst nach Sint Maarten zu fahren, und dann ein paar
andere Antilleninseln abzuklappern. Das klingt wahrscheinlich ziemlich
verrückt: letztes Jahr im Dezember bin ich von zu Hause weggelaufen nach
Sint Maarten, wurde dort nach einer halben Woche geschnappt und wieder
in ein Flugzeug nach Hause gesetzt. Aber in dieser kurzen Zeit habe ich
viele Menschen kennengelernt, die ich gerne wiedersehen möchte. Die
Überfahrt zu den Kapverdischen Inseln wird etwa sieben Tage dauern: so
lange war ich noch nie allein auf See. Aber es wird keine schwierige
Fahrt werde. Schiffsverkehr gibt es dort kaum, und es wird daher
lediglich eine Frage von geradeaus fahren sein. Im Augenblick bin ich
vollauf mit den Vorbereitungen für meine Reise beschäftigt, dem
Überprüfen von Guppy zum Beispiel. Mein Boot hat kürzlich ein neues
Radargerät bekommen, da das Alarmsystem, das Schiffe in der Nähe
anzeigen sollte - sehr praktisch auf See! -, nicht funktionierte. Des
Weiteren werde ich noch den nötigen Proviant einkaufen müssen. Ich habe
in den letzten Wochen viel auswärts gegessen, auf Einladung von Leuten,
die ich hier kennengelernt hatte. Aber trotzdem brauche ich noch das ein
oder andere, und ich will jetzt schon genug Vorräte für die
Atlantiküberquerung an Bord nehmen. Auf den Kapverdischen Inseln gibt es
zwar auch Läden, jedoch nicht mit so einem großen Angebot und so
preiswert wie hier. Bis nächste Woche, dann vom Atlantischen Ozean.
Grüße, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 12
Donnerstag, 11. November, 14.57 Uhr
"Es war ziemlich verrückt, niemanden mehr um mich zu haben, mit dem ich
reden konnte und - abgesehen von den Delfinen, die vor dem Bug
herumschwammen - niemanden mehr zu sehen. Die Route, die ich fahre, ist
sehr ruhig. Größere Schiffe fahren sowieso in Küstennähe, und ich
erwarte auch nicht, so bald anderen Segelbooten auf dem Weg zu den
Kapverdischen Inseln zu begegnen. Seit Mittwochnachmittag bin ich auf
hoher See. Es ist wunderbar, wieder richtig segeln zu können. Aber ich
hatte doch einen ziemlichen Kloß im Hals, als die Küste langsam außer
Sicht kam. Ich bin zwei Monate auf Gran Canaria gewesen, und der
Abschied von der Insel und den Menschen, die ich dort kennengelernt
habe, viel mir sehr schwer, viel schwerer als ich mir jemals gedacht
hätte. Innerhalb kurzer Zeit hatte ich eine starke Freundschaft mit
einer Familie mit superlieben Eltern und ihren beiden netten Jungs, die
ungefähr in meinem Alter waren, aufgebaut. Sie haben mir einen
Liegeplatz angeboten und mich oft in Schlepp genommen, zum Beispiel zu
den Delfintouren, die sie organisieren. Sie haben mir auch während der
vergangenen Tage sehr geholfen beim einkaufen von Vorräten und beim
nachtanken von Diesel um 'Guppy' für die Überfahrt nach Sint Maarten
klar zu machen. Auf den Kapverdischen Inseln werde ich nämlich vor Anker
gehen, und es wäre ziemlich mühsam, die Ausrüstung dort vorzunehmen,
insbesondere wenn man nur ein Dinghy (ein kleines Bötchen) und ein
Klappfahrrad als Transportmittel zur Verfügung hat. Na gut, inzwischen
fühle ich mich etwas besser als kurz nach dem Abschied. Es wird
sicherlich noch eine Woche dauern, bis ich Sal, die Insel, die ich
zuerst besuchen werde, erreicht habe. Wenn alles klappt, werde ich dort
am nächsten Donnerstag ankommen. Das wird natürlich vom Wind abhängen.
Im Augenblick spielt er ganz gut mit und weht mit 5 Bft. Mit der
Windfahnen Selbststeuereinrichtung auf Guppy geht das Segeln wie von
selbst. Da ich nicht von Hand steuern muß, kann ich den Ausblick auf die
endlos wogenden Wellen, die Wolken und die Sonne genießen. Zum Glück
scheint die letztere ziemlich häufig. Carpe diem! Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 13
''Skypen' gibt mir manchmal das Gefühl, gar nicht von zu Hause weg zu sein'
Donnerstag, 18. November, 15.10 Uhr
"Ich hoffe, in wenigen Stunden Sao Nicolau, eine kleine Insel der
Kapverdischen Inseln, zu erreichen. Wieder bin ich ein paar hundert
Meilen weiter weg von zu Hause. Jedoch habe ich nicht dauernd dieses
Gefühl, da ich regelmäßig Besuch bekomme und allerlei
Kommunikationseinrichtungen an Bord habe. Zum Beispiel das
Satellitentelefon, mit dem ich - mit etwas Verzögerung zwar - weltweit
telefonieren kann. Daneben habe ich UKW-Sprechfunk an Bord. Auf See
passiert es nicht zu oft, daß man anderen Schiffen begegnet, und dann
ist es ganz nett, ein wenig plaudern zu können. Des Weiteren habe ich
noch ein Mobiltelefon, für das ich jeweils dort, wo ich an Land gehe,
eine SIM-Karte für das lokale Telefonnetz kaufe. Mit einer solchen Karte
muß ich nicht für die Kosten von aus den Niederlanden eingehenden
Gesprächen aufkommen. Zu guter Letzt habe ich in den Häfen meistens
einen ausreichenden Internetzugang. Ich kann mailen und 'skypen'
(Bildtelefon über Internet), und auf diese Weise habe ich meinen Hund
Spot schon ein par mal sehen können. Wenn er meine Stimme hört, fängt er
an zu bellen und sucht mich überall, da er nicht wirklich versteht, wo
ich bin. Ich begreife ganz gut, daß ich es in Bezug auf die
Kommunikation viel leichter habe als meine Eltern während ihrer
Weltreise. Sie mußten ellenlange Briefe schreiben und sind sofort zur
nächsten Telefonzelle gerannt wenn sie - manchmal nach mehreren Wochen
auf See - mal wieder an Land waren. Es ist zwar schön, manchmal aber
auch seltsam, Tag und Nacht erreichbar zu sein. Mit 'Skype' kann ich den
Leuten ins Wohnzimmer gucken, und dann ist es fast so, als ob ich dort
wäre. Das gibt mir manchmal das Gefühl, gar nicht weg zu sein. Aber ich
habe bisher noch nie das Bedürfnis verspürt, durch den Bildschirm in die
Niederlande zu gehen. Sicher nicht jetzt, da es dort so kalt und naß
ist, brr... Viva Afrika! Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 14
Donnerstag, 25. November 2010, 13.45 Uhr
"Noch eine gute Woche bevor ich die Überfahrt von St. Nicolau nach St.
Maarten in Angriff nehmen werde. Ich freue mich sehr darauf. Ich werde
für drei Wochen auf See sein, aber letzten Endes ist es nur eine Frage
von geradeaus segeln. Und im Allgemeinen hat man zu dieser Jahreszeit
den Wind immer von hinten. Natürlich ist es vernünftig, ab und zu den
Kurs zu kontrollieren, aber zu schwierig sollte es nicht werden. Vor
meiner Abreise werde ich Guppy nochmals gründlich überprüfen; genug
Proviant habe ich schon auf Gran Canaria eingekauft. Ich habe nun genug
Zeit, um auf Sao Nicolau [Diesel?] nachzutanken. Es ist hier wunderschön
mit all den Bergen und der Vegetation. Ich liege vor der Küste vor
Anker, und um mich herum liegen Schiffen anderer Weltumsegler. Darunter
ist auch ein anderer Solosegler, ein Deutscher, mit dem ich heute Mittag
ein paar Seekarten getauscht habe. Daneben bin ich mit einem
Seglerehepaar durch die Berge gewandert. Danach kam ich schier um vor
Muskelschmerzen - laufen ist nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung
-, aber es war doch prima. Man bekommt hier einen Eindruck von Afrika.
Das einzige 'westliche' hier ist das Telefon. Davon abgesehen ist alles
anders: die Häuser, die Straßen, die Natur und die Menschen. Jeder hier
verbringt den ganzen Tag auf der Straße und scheint andauernd zu lachen.
Viele Mädchen in meinem Alter haben bereits Kinder. Das habe ich
herausgefunden als ich mit einer Gruppe Mädels Fußballspielen ging, und
sie zunächst ihre Kinder am Rand des Spielfelds parkten. Die
Vorstellung, daß auch mein Leben so verlaufen wäre, wenn ich hier leben
würde, ist ziemlich verrückt. Na gut, in den nächsten Zillionen Jahren
wird das nicht passieren! Grüße von - 'tschuldigung - den wunderbar
warmen Kapverdischen Inseln. Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 15
'Eine Dusche mit zwei Flaschen Wasser'
Donnerstag, 2. Dezember 2010, 9.05 Uhr
" 'Laura, Laura, Laura!' Jedes Mal, wenn ich von Guppy zum schwarzen
Strand rudere um an Land zu gehen, kommen ganze Gruppen von Kindern
herangelaufen um mir zu helfen. Was sie von mir wollen weiß ich nicht,
denn ich verstehe kein Kreolisch, Portugiesisch, Französisch oder was
auch immer sie mit mir zu sprechen versuchen. Sie scheinen meine
Geschichte hier in und auswendig zu kennen, denn wenn ich durch das
kleine Dorf auf der Insel Sao Nicolau gehe, wird mein Name oft gerufen.
Manchmal ist es so schlimm, daß sogar ganze Gruppen von Kindern es
lustig finden, ein Stück mit mir zu gehen. Sie erzählen mir Geschichten,
von denen ich kein einziges Wort verstehe. Ich frage mich, ob sie
nichts Besseres zu tun haben - zur Schule zu gehen oder so? Ich bin hier
in einer ganz anderen Welt mit Mädchen, die schwere Lasten auf ihren
Köpfen transportieren. Sie haben Blechautos als Spielzeug, und
Plastiktüten hängen über den Straßen wenn es irgendein Fest zu feiern
gibt. Sehr schön, aber heute werde ich das alles hinter mir lassen. Ich
nehme Kurs auf den einzigen Ort meiner Weltreise, den ich ein bisschen
kenne: Sint Maarten. Ich hoffe, vor Weihnachten dort zu sein, aber es
ist fraglich, ob das klappen wird. Es liegen etwa 2200 Seemeilen [4074
Kilometer] vor mir, und es weht nicht viel Wind. Der Wetterbericht sagt,
daß das für die nächste Zeit so bleiben wird. Na ja, selbst ohne Wind
sollte ich wenigstens ein bisschen vorankommen, und wenn ich hier vor
Anker liegen bleibe, komme ich niemals an. Darüber hinaus habe ich große
Lust darauf, weiterzuziehen. Noch länger an Land zu bleiben ist keine
Option. Guppy ist noch immer vollgestopft mit Proviant, und Diesel habe
ich auf der letzten Etappe kaum verbraucht. In den letzten Tagen habe
ich Trinkwasser in Flaschen zu meinem Boot geschleppt, denn das
nachfüllen des Wassertanks ist hier nicht möglich, und jedes Mal leere
Colaflaschen mitzunehmen und zu füllen klappt prima. Zwei Flaschen sind
vollkommen genug für eine schöne Süßwasserdusche unterwegs. Bom dia!
Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 16
'Ich sehne mich nach dem Geschmack von Süßwasser'
Donnerstag, 9. Dezember 2010, 15.19 Uhr
"Endlich bin ich unterwegs von den Kapverdischen Inseln zur Karibik.
Wahrscheinlich werde ich doch vor Weihnachten ankommen. Besser noch:
wenn es weiterhin so gut läuft, werde ich bereits am 17. Dezember dort
sein. Jetzt muß ich aber auf Holz klopfen, denn ich bin ja noch nicht
mal auf halbem Wege, haha. Andere Segler auf Sao Nicolau haben
prophezeit, daß ich keinen Wind haben und kaum vorankommen werde. Das
war offenbar Quatsch. Lediglich am ersten und dritten Tag meiner
Überfahrt war es fast windstill. Nun weht es kräftig, aber leider von
der Seite. Dadurch liegt Guppy oft schräg im Wasser, wodurch ich die
Fische bequem von meinem Bett aus vorbeischwimmen sehen kann. Draußen im
Cockpit zu sitzen ist auch nicht möglich, da viele Wellen über das Deck
waschen. Ich muß nur kurz aufs Vordeck gehen um klatschnaß zu werden.
Ich verbringe die meiste Zeit sitzend in der Kabine. Da mein Schiff
manchmal kräftig hin- und herschaukelt, kann ich kaum lesen, und
manchmal werde ich plötzlich gegen die Wand gedrückt. Vorsorglich
schlafe ich schräg, die Füßen und den Kopf an einer Seite gepresst.
Aber... die blauen Flecken halten sich noch in Grenzen. Darüber hinaus
war ich dieses Mal so schlau, alle herumliegenden Sachen in die Schränke
zu räumen, etwas, das ich bei der Abfahrt aus Gran Canaria nach Sal
nicht gemacht hatte. Alles in allem habe ich vom Segeln über den
Atlantik noch lange nicht die Nase voll. Es läuft großartig! Das einzige
wonach ich mich sehne ist, mal ein Stück laufen zu können nach all de
Kletterei über das Deck. Und ich hätte auch mal wieder Lust auf eine
kräftige, tropische Regenbö- Mmh, allein der herrliche Geschmack von
Süßwasser anstelle des salzigen, klebrigen Seewassers. Leider gehen die
Regenwolken mir ständig aus dem Weg... Ahoy! Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 17
'Ich bin überhaupt nicht einsam'
Donnerstag, 16. Dezember 2010, 12.57 Uhr
"Es sind noch 370 Seemeilen [685 Kilometer]. Es erscheint mir weird
[engl. seltsam], wieder an Land zu sein. Ich habe mich so an das Leben
auf See gewöhnt. Anfangs waren das ständige schaukeln von Guppy und das
eimerweise überkommende Seewasser extrem gewöhnungsbedürftig. Aber jetzt
scheint es mir, als wäre es immer so gewesen. Es fühlt sich an, als ob
ich zu Hause in meinem Zimmer ohne Telefon und Internet eingeschlossen
wäre. Ich mache alles, was ich normalerweise auch tun würde: kochen,
lesen und Gitarre spielen. Und ab und zu, wenn ich zum Beispiel einen
Film ansehe, vergesse ich völlig, daß ich mitten auf dem Meer bin. Die
Tage fliegen vorbei. Es ist dauernd irgendwas zu tun. Ich war
beispielsweise eine ziemlich lange Zeit damit beschäftigt, vor allen
Luken Fliegengitter anzubringen. Meine Erinnerungen an die Mücken auf
Sint Maarten (im Dezember vorigen Jahres) sind nämlich noch sehr
lebendig! Im Augenblick habe ich überhaupt keine Probleme mit Heimweh.
Ich hatte zwei kurze Gespräche mit den Mannschaften von
entgegenkommenden Segelschiffen, und über das Satellitentelefon spreche
ich täglich mit meinen Vater. Aber ich vermisse ihn überhaupt nicht. Das
klingt natürlich komisch, und ich hoffe, daß er mich bald besuchen
kommt. Und ich finde es super, daß meine Oma und mein Opa nach Bonaire
kommen werden. Während der Atlantiküberquerung ist es zweimal
vorgekommen, daß ich lieber an Land oder in der Nähe von anderen
Menschen gewesen wäre. Das eine Mal als Guppy extrem schaukelte und eine
Menge Wasser überströmte, und das andere Mal als es windstill war und
ich nicht vorwärts kam. Wenn so etwas passiert, muß ich nur an das
letzte Jahr und alles, was ich durchgemacht habe, zurückdenken. Ich bin
noch immer so glücklich, daß ich unterwegs bin. Wenn ich mir dann bewußt
mache, was ich jetzt habe, ist das Gefühl, daß alles 'scheiße' ist,
sofort weg! Ayo, Laura!
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 18
'Ein jubelnder Empfang auf Sint Maarten - großartig!'
Donnerstag, 22. Dezember 2010, 15.02 Uhr
"Es ist toll, wieder an Land zu sein. Siebzehn Tage lang habe ich
nichts anderes tun können als zu klettern und hin und her zu schaukeln.
Jetzt ist es herrlich, meinen Überschuß an Energie loszulassen und mal
wieder in einen Hamburger zu beißen. Ich kann wieder mit meinem Vater
und meinen Freunden telefonieren, mailen und skypen. Alles geht hier
seinen gewohnten Gang, auch das Internet. Es war total weird [engl.
seltsam], auf Sint Maarten anzukommen. Plötzlich flog ein Helikopter mit
einem Kamerateam über mir, und als ich am nächsten Tag unter der
Klappbrücke hindurch in den Hafen fuhr, standen ein paar hundert
Menschen auf dem Kai um mir zuzujubeln während die Megajachten auf der
anderen Seite des Hafens hupten. Einfach großartig! Ich bin inzwischen
auf Einladung einer steinreichen Russischen Familie an Bord einer dieser
riesigen Jachten gewesen. In diesem Schiff hätte man sich wirklich
verlaufen können; es war mit einem Sporthalle und anderen verrückten
Dingen ausgestattet. Sie konnten sich nicht vorstellen, daß ich auf
meinem Miniboot auch nur eine einzige Welle auf See überlebe. zugegeben:
von Bord dieser Jacht wirkte mein Boot wirklich wie ein Winzling. Ich
lebe in den Tag hinein und habe schon von vielen Leuten Einladungen
bekommen um mit ihnen Weihnachten zu feiern. Aber ich weiß noch nicht,
was ich tun werde. Jedenfalls werde ich nicht allein sein. Und dann? Im
April möchte ich durch den Panamakanal fahren, daher habe ich alle Zeit
der Welt, um dort hinzukommen. Grüße, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 19
Offene See für Laura - endlich
Freitag, 31. Dezember 2010
"Zeitungen lese ich nur selten, und ich sehe auch nur wenig fern. Das
meiste was über meine Reise geschrieben wird, bekomme ich gar nicht mit.
Von den Berichten letzte Woche, daß ich finanziell angeblich 'auf dem
trockenen sitze', habe ich auch nur wenig mitbekommen. Ich möchte hier
und jetzt klarstellen, daß Guppy nicht kurz davor steht, auseinander zu
fallen, und daß ich alles, was ich nötig habe [technische Ausrüstung
etc.] an Bord habe. Dennoch: ich mache eine sehr lange Reise, und ich
bekam so plötzlich die Erlaubnis seitens der Familienrichter in Zeeland,
meine Reise beginnen zu dürfen, daß unsere Versuche, mehr und größere
Sponsoren zu finden, nicht sofort geklappt haben. Es wird auch nicht das
letzte Mal gewesen sein, daß ich in den Nachrichten war. Die wichtigste
Nachricht letztes Jahr war für mich ebendieses Urteil der Richter.
Eigentlich habe ich an diesem Tag, Ende Juli [27. Juli 2010] gar nicht
damit gerechnet, daß ich die Erlaubnis bekommen werde, loszusegeln.
Ständig gab es neue Gerichtsverhandlungen. In dem Moment, als mein Vater
den erlösenden Telefonanruf entgegennahm, war ich auf Guppy. Zunächst
wollte es nicht zu mir durchdringen, erst eine Stunde später 'fiel der
Groschen' und ich lag heulend in den Armen meines Vaters. Inzwischen bin
ich seit fünf Monaten unterwegs und befinde mich zur Zeit auf Sint
Maarten. Innerhalb kurzer Zeit habe ich viele Menschen kennengelernt.
Weihnachten habe ich auf St. Barthélemy, einer Insel südlich von St.
Maarten, verbracht. Wir sind dort mit mehreren Schiffen hingefahren. Wir
hatten Kneeboards mitgenommen, sind viel schwimmen gewesen, sind von
hohen Felsen ins Wasser gesprungen und haben abends lecker gegrillt. Mit
einem Optimist [kleines Segelboot], das wir bei uns hatten, hätte ich
fast eine Seeschildkröte gerammt. Silvester werde ich mit denselben
Freunden verbringen. Wir werden sicher Feuerwerk machen, aber auf der
Französischen Seite der Insel. Auf der Niederländischen Seite ist das
verboten. Bis nächstes Jahr! Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 20
'Mitsegeln auf der Stad Amsterdam'
Donnerstag, 6. Januar 2011, 15.27 Uhr
Zuallererst möchte ich allen Lesern des Algemeen Dagblad ein frohes
neues Jahr 2011 wünschen! Und ich möchte mich auch bei Allen, die mich
unterstützen, bedanken. In diesem Jahr habe ich eine Reihe großer
Überfahrten vor mir. Aber im Augenblick gehe ich es langsam an. Auch
mein Silvesterabend hier auf Sint Maarten verlief sehr ruhig. Ich bin
zusammen mit einem Freund zu einer Feuerwerksshow nach Philipsburg
gegangen. Auf der Niederländischen Seite dürfen die Einwohner selbst
nämlich kein Feuerwerk machen. Zunächst hatte ich geplant, zur
Französischen Seite zu gehen und dort das neue Jahr einzuläuten. Aber
letztendlich verlief der Abend sehr ruhig. Ich war zwar noch zu einer
Party an Bord eines anderen Schiffes eingeladen, aber ich fühlte mich
nicht 100-prozentig wohl, und deshalb bin ich zeitig zu Bett gegangen.
Eigentlich wollte ich in ein paar Tagen wieder von St. Maarten ablegen
um ein paar andere Karibische Inseln zu besuchen. Aber es kam etwas
dazwischen! Ich schreibe das alles von Bord des Klippers 'Stad
Amsterdam', einem riesigen Segelschiff, das von Schulabbrechern nach dem
Vorbild eines Handelsschiffs aus dem 19. Jahrhundert gebaut wurde, und
das gleichzeitig mit mir die Überfahrt aus Europa gemacht hat. Ich bin
ein paar Mal an Bord gewesen und auch bis ganz nach oben auf den 45
Meter hohen Mast geklettert, und wurde schließlich gefragt, ob ich es
nicht schön fände, mitzufahren. Ich bin nun ein Teil der Besatzung. Das
bedeutet, daß ich nachts Wache gehen muß, das Schiff saubermachen und
verschiedene andere kleinere Arbeiten an Bord erledigen muß. Davon
abgesehen kann ich die Inseln, die wir anlaufen, genießen. Wir werden
uns die Soufrière Hills Vulkane auf Montserrat ansehen, danach nach
Martinique fahren, später zum 'kochenden See' auf Dominica und noch zu
vielen weiteren besonderen Orten. Mein eigener, kleiner Guppy liegt bis
dahin sicher auf Sint Maarten und wartet bis ich in einer guten Woche
wieder zurück bin. Bis dann! Liebe Grüße, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 21
'Inselhüpfen in der Karibik'
Sint Maarten, 10. Januar 2011, 11.46 Uhr
[Ortsangabe offenbar falsch]
"Einer der wichtigsten Gründe, warum mir das Reisen um die Welt so
locker von der Hand geht, ist, daß ich mir vorher nicht allzu viele
Sorgen mache. Wenn ich unterwegs Probleme bekomme, löse ich sie auf der
Stelle. Das hängt auch damit zusammen, daß ich sehr impulsiv bin. Darum
bin ich auch auf der 'Stad Amsterdam' gelandet. Ich habe mir das Schiff
ein paar Mal angesehen und wurde dann gefragt, ob ich mitfahren möchte -
'...aber wir legen in vier Stunden ab'. Nun, natürlich wollte ich mit!
Jedoch stellte der Kapitän zwei Bedingungen: als Minderjährige mußte ich
eine schriftliche Einverständniserklärung meiner Eltern haben und
darüber hinaus meine Schulsachen mitnehmen... Seufz... Nun sind wir eine
knappe Woche auf See. Normalerweise fahren Leute mittleren Alters auf
der 'Stad Amsterdam'. Aber im Augenblick sind Studenten der Universität
Maryland an Bord, die eine Studienreise machen und dafür viele Vulkane
und Ähnliches ansehen müssen. Ich selbst fahre als Besatzungsmitglied
mit. Ich bin Teil der Nachtwache, und es ist großartig, nach draußen zu
kommen und die Segel und die Sterne über mir zu sehen. Und das grüne
Aufleuchten des Wassers, das zur Seite gedrückt wird - das kommt durch
den Phosphor darin. Ich lerne auch, wie ein Sextant funktioniert.
Wahnsinn! Anhand der Position der Sterne in Relation zum Horizont, zur
Uhrzeit und der vergangenen Zeit kann man damit seinen genauen
Standpunkt bestimmen. Das ist sehr praktisch wenn das digitale
Navigationssystem mich mal im Stich lassen sollte. Wir sind auf der
Insel Dominica - groß und grün - gewesen, aber leider nur kurz; daher
werde ich sie bestimmt selbst noch einmal besuchen. Und nun fahren wir
'inselhüpfend' zurück nach Sint Maarten. Währenddessen kann ich mir noch
überlegen, welche Inseln ich auf dem Weg zum Panamakanal noch besuchen
will. Grüße, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 22
'Ich werde eine Comic-Figur'
Sint Maarten, 20. Januar 2011, 8.09 Uhr
"Es wird ein Animationsfilm über meine Reise produziert. Während der
letzten Tage - seitdem ich von Bord der 'Stadt Amsterdam' gegangen bin
-, wurde ich von einer Gruppe junger amerikanischer Filmemacher
begleitet. Sie filmen mich und ich muß ab und zu Kommentare in die
Kamera sprechen. Die Realaufnahmen werden sich mit gezeichneten
Sequenzen abwechseln. Ich bin gespannt, was sie daraus machen werden.
Die Idee an sich ist schon lustig: wie werde ich wohl als Comic-Heldin
aussehen? Eine Heldin im Aufräumen bin ich jedenfalls nicht. Inzwischen
habe ich mir alle Palmen auf Sint Maarten zur genüge angesehen, und
darum werde ich heute in Richtung der Insel[gruppe] Isles des Saintes
aufbrechen. Darum bin ich gestern schwer auf Guppy beschäftigt gewesen,
um sie wieder in einen halbwegs vorzeigbaren Zustand zu versetzen. Das
hat nicht wirklich geklappt, denn nach dem Aufräumen war das Chaos noch
viel größer geworden. Alle anderen Punkte auf meiner Checkliste habe ich
dagegen brav abgearbeitet. Ich habe mein Dinghy (Beiboot) zerlegt und
die Segel sind wieder gut in Schuss. Ich habe Wasser nachgefüllt, Diesel
getankt und Proviant eingekauft, und ich bin beim Zoll vorbeigegangen
um auszuklarieren, wie das offiziell heißt. Das war nötig, da ich nun in
ein anderes Land fahre, nämlich nach Frankreich! OK, um genauer zu sein
geht es nach Guadeloupe, wozu die Isles des Saintes gehören. Es sind
bis dahin etwa 28 Stunden zu segeln - für mich nur eine kleine Tour.
Aber ich habe mal wieder große Lust, auf hoher See zu segeln. Danach
werde ich von Insel zu Insel 'hüpfen' und hoffe, am 10. Februar in
Bonaire anzukommen. Leider muß ich vor der Abfahrt noch etwas
Unangenehmes tun, nämlich das Unterwasserschiff von Guppy saubermachen.
Das ist mittlerweile voll mit Bewuchs. Daher werde ich zunächst den
Ankerplatz ansteuern und dort dann mit einem großen Spachtel schwimmend
und schnorchelnd versuchen, die Algen, Schnecken, Muscheln und sonstigen
Dinge, von denen ich überhaupt nicht wissen will, was sie eigentlich
sind, zu entfernen... Zum Glück werden mir ein paar Freunde dabei
helfen, und vielleicht wird es auch ganz lustig. Bis nächste Woche,
wahrscheinlich von Dominica. Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 23
'Manchmal vermisse ich meinen Vater sehr'
Dominica, 27. Januar 2011, 11.40 Uhr
"Ich bin gerade auf Dominica angekommen. Zuvor habe ich ein paar Tage
vor der Küste der Isles des Saintes, einer kleinen Inselgruppe, die zu
Guadeloupe gehört, vor Anker gelegen. Ich bin nicht viel von Bord
gewesen. Ich konnte ein wenig Ruhe gebrauchen, denn in Sint Maarten
kamen auf einmal eine Menge Leute zu mir, und jeder wollte etwas
anderes. Offenbar war ich nicht schwer zu finden... Im Ernst: ich habe
ein paar Briefe und Päckchen bekommen, worauf als Anschrift nur 'Laura
Dekker, Sint Maarten' stand. Diese ganze Aufmerksamkeit wurde mir
letztendlich ein bisschen zu viel. Dagegen ist ein bisschen Nichtstun
auch mal ganz schön. Noch ein Grund um an Bord zu bleiben ist, daß es
auf den Isles des Saintes wahnsinnig oft und heftig geregnet hat. Fast
so wie in den Niederlanden - aber schön warm. Selbst die Leute, die dort
wohnen, waren darüber verblüfft. Das weiß ich, da ich doch mal kurz an
Land gewesen bin. Es war lustig zu sehen, daß, abgesehen von den Palmen
und den niedrigen, in hellen Farben gestrichenen Häusern, dort alles
typisch französisch ist. Die Leute sprechen Französisch, bezahlen mit
Euro und man kann sich fast nicht retten vor Baguette und Croissants.
Von Dominica habe ich noch nicht viel gesehen, außer daß die Insel in
ihrer Gesamtheit wie ein kleiner Urwald wirkt. Ich liege hier nicht in
einem Hafen sonder vor Anker, und neben mir liegen zwei Niederländische
Boote. Bei einem von ihnen bin ich gerade an Bord gewesen. Auch habe ich
eben den Klipper 'Stad Amsterdam', mit dem ich zehn Tage gesegelt bin,
einlaufen sehen. Die werde ich in Kürze auch noch besuchen gehen. In gut
zwei Wochen hoffe ich auf Bonaire anzukommen. Darauf freue ich mich
riesig, da sowohl mein Vater und meine Oma und mein Opa mich dort
besuchen kommen. Manchmal vermisse ich meinen Vater sehr... Sicher, am
Anfang meiner Reise hatte ich es damit schon ziemlich schwer, aber
inzwischen ist es für mich ganz normal geworden, allein zu leben. Aber
ich bin doch froh, ihn bald wiederzusehen... Grüße, Laura!"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 24
'Delfine und ein Hosenscheißer'
Karibische See, 3. Februar 2011, 15.50 Uhr
"Wunderbar! Ich bin wieder auf hoher See. Ich bin gestern Morgen
losgesegelt und muß insgesamt 450 Seemeilen [833 Kilometer] zurücklegen
um nach Bonaire zu kommen. Vor ein paar Stunden war es noch vollkommen
windstill. Jetzt weht es kräftig und dazu noch aus der richtigen
Richtung. Daher hoffe ich, in dreieinhalb Tagen anzukommen. Das Segeln
geht ausgezeichnet. Ich bin unterwegs bislang nur einem Schiff begegnet,
aber eine große Schule Delfine hat mir eine zeitlang Gesellschaft
geleistet. Etwas weniger begeistert bin ich von dem großen, braunen
Vogel, der sofort nach meiner Abfahrt auf meinem Besanmast platzgenommen
hatte, und gerade eben erst wieder weggeflogen ist. Er fand es offenbar
nötig, das ganze Boot bei seiner Abreise vollzuscheißen. Ich bin gerade
fleißig beim schrubben. Mistvogel! Oder war es vielleicht ein
Hosenscheißer? Na ja, wenigstens macht es Spaß, wieder unter Vollzeug
segeln zu können. Es war sehr schön, auf Sint Maarten, den Isles des
Saintes und auf Dominica gewesen zu sein. Jedoch war das vor Anker
liegen dort auch ein bisschen langweilig. Trotzdem war es am Abend vor
meiner Abreise von Dominica ziemlich nett, als ich auf einmal die 'Tante
Rietje' entdeckte. Das ist ein Schiff, dem ich in Gran Canaria schon
begegnet bin, und auf dem ich mit meiner Mutter und meiner Schwester
auch zum Essen war. Das lustige dabei war, daß wir 'piepertjes' [kleine
Kartoffeln?] und Hamburger zu essen bekamen. Da meine Mutter Deutsche
ist, kannte sie das Wort 'piepertjes' überhaupt nicht. Noch Tage später
machte sie sich einen Spaß daraus, es bei den merkwürdigsten
Gelegenheiten zu wiederholen. Wo wir gerade bei meiner Familie sind: ich
habe gehört, daß auch meine Schwester nach Bonaire kommt. Cool. Ich
habe sie sehr vermisst. Na gut, es dauert noch zwei Wochen bis sie,
zusammen mit meinem Vater und Opa und Oma kommt. Und auch ich muß erst
mal dort hinfahren. Ich hoffe übrigens, daß meine Ankunft auf Bonaire
etwas ruhiger abläuft als auf Sint Maarten. Es war durchaus nett, von
hunderten winkender Menschen willkommen geheißen zu werden, aber ich bin
nicht der Nikolaus und ein bisschen Ruhe ist auch ganz schön. Grüße,
Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 25
'Ich bin sauer auf einen der NATO Stabschefs'
Karibische See, 10. Februar 2011, 10.37 Uhr
"Ich bin seit ein paar Tagen auf Bonaire und habe heute gehört, daß
Hank Ort, Stabschef des NATO Marinehauptquartiers in England,
Segelschiffen dringendst davon abrät, durch den Golf von Aden zu fahren.
Mich erwähnte er dabei ausdrücklich. Auch bräuchten Konvois von
Jachten, die 'unnötige Segeltouren' unternehmen, nicht mit Schutz [durch
NATO Schiffe] zu rechnen. Ort machte diese Äußerungen nachdem er eine
Hilfsanfrage von dreißig Jachten erhalten hatte, die vorhaben, durch das
Rote Meer zu fahren. Ich finde es schade, daß die NATO keine Hilfe an
kleine Boote leisten will. Es kann doch nicht zuviel kosten, in
Bereitschaft zu bleiben wenn ein Konvoi durchfährt, und eventuell
einzugreifen, wenn eine Jacht etwas melden sollte? Es ist traurig, daß
die Menschen immer weniger sozial eingestellt sind und zuerst an ihr
eigenes Leben denken. Auch finde ich es schade, zumindest merkwürdig,
daß ich im Bericht von Hank Ort erwähnt werde. Daß das, was ich tue,
etwas Besonderes ist, ja, da bin ich mittlerweile auch hintergekommen.
Aber warum das so viel Aufmerksamkeit erregt bleibt mir noch immer ein
Rätsel. Vor kurzem wurde mein Boot von einem Vogel vollgeschissen, und
das brachten sofort alle - zumeist ausländische - Zeitungen. Das ist
doch krank. Genauso wie ich jetzt von Ort als Beispiel genannt werde,
obwohl hunderte Menschen um die Welt und durch den Golf von Aden segeln.
Zufällig sprach ich gestern mit Neuseeländern, die auch das Rote Meer
gesegelt sind. Über Piraten habe ich von ihnen kein Wort gehört.
Natürlich sage ich nicht, daß es dort keine gibt, aber es ist auch nicht
so, daß, wenn man dort durchfährt, zu 99 Prozent sicher sein kann, daß
man überfallen wird. Darum denke ich auch, daß wenn die NATO sich dort
in Bereitschaft hält und Kontakt mit den Konvois hält, die Jachten mit
einem Gefühl von Sicherheit durch das Rote Meer fahren könnten. So,
jetzt bin ich fertig damit, Gift und Galle zu spucken. Ansonsten läuft
alles prima. Ich mache gleich mit ein paar Seglern eine Tour über die
Insel. Das ist das erste Mal, daß ich etwas mehr von Bonaire zu sehen
bekomme, und ich bin gespannt. Grüße, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 26
'Ein Krankenhaus ohne Ärzte'
Bonaire, Donnerstag, 17. Februar 2011, 11.10 Uhr
"Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: es ist alles in Ordnung,
aber ich hatte heute einen Autounfall. Wir hatten heute eine großartige
Kajaktour durch die Mangroven gemacht (wir haben Papageienfische,
Flamingos und einen verirrten Barracuda gesehen) und waren gerade auf
dem Rückweg, als uns ein mit Sand beladener Lastwagen voll hinten
draufknallte. Bumm! Auto total kaputt, eine dicke Beule am Hinterkopf
und sofort heftige Kopfschmerzen. Der Lastwagenfahrer rieft, daß sowohl
seine Bremsen als auch seine Hupe nicht funktionieren, und fingt mit
einer wüsten Schimpferei auf Papiamento [Kreolsprache; wird u. A. auf
Aruba, Bonaire und Curacao gesprochen] an. Nach einer Stunde in der
brütendheißen Sonne wurden wir abgeholt. Zur Sicherheit gingen wir noch
zur Erste Hilfe Station - man kann ja nie wissen. Nachdem wir lange,
lange gewartet hatten wurde uns klar, daß der Doktor nicht da ist. Auch
beim ambulanten Notfallzentrum in der Nähe war er nicht. Dann wurden wir
weitergeschickt zu einem anderen Hausarzt. Dort mußten wir wieder
warten, und obendrein sprach der Arzt er nur Spanisch und Papiamento. Na
gut, drei Stunden nach dem Unfall standen wir wieder draußen mit einem
Rezept für Tabletten, die gut sein sollen für Rheumapatienten,
schwangere Frauen mit Beckeninstabilität und Menschen mit Schwellungen
und Kopfschmerzen. Wird schon das passende dabei sein! Daneben bekam ich
die Anweisung, es ein wenig langsamer anzugehen, mich auszuruhen und
wiederzukommen falls ich mich schlecht fühle oder nach ein paar Tagen
immer noch Kopfschmerzen haben sollte. Also werde ich in Ruhe einen Film
an Bord von Guppy ansehen und mir nicht allzu viele Gedanken machen.
Hauptsächlich war es der Schreck, aber mein Kopf ist noch dran. Ich
schiele nicht und sehe nicht doppelt. Hier noch ein guter Rat an Alle,
die in Kürze Bonaire besuchen möchten: keinen Schrott produzieren, und
wenn, dann nicht nachmittags vor drei Uhr. Ach ja, wer unbedingt einen
Herzanfall bekommen möchte, sollte das donnerstags tun. Das ist der
einzige Tag, an dem ein Kardiologe auf der Insel ist. Bon dia! Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 27
'Segeln mit einem aufblasbaren Katamaran'
Bonaire, Donnerstag, 24 Februar 2011, 11.04 Uhr
"Es war ziemlich verrückt letzte Woche. Ich stand zweimal kurz
hintereinander am Flughafen von Bonaire. Einmal um eine Freundin zu
verabschieden, die aus den Niederlanden herübergeflogen war, und das
andere Mal um meinen Vater und meine Schwester zu begrüßen, die mit
demselben Flugzeug, mit dem meine Freundin wegfliegen sollte,
hergekommen waren. Es ist wunderbar, sie nach so vielen Monaten
wiederzusehen. Sie schlafen bei mir auf dem Boot. Es ist richtig
gemütlich zu dritt. Und natürlich sind auch meine Oma und mein Opa hier,
sie wohnen in einem Appartement in der Nähe. Die Woche fliegt vorbei.
Wir gehen oft schwimmen und Schnorcheln, außerdem haben wir eine
Segeltour mit einem Boot von Leuten, die ich hier kennengelernt habe,
gemacht. Alle fanden es herrlich - mit Ausnahme meiner Schwester. Sie
ist eben doch mehr eine Landratte. Später sind wir noch mal auf See
gewesen, und das fand sie toll. Wir hatten nämlich jemanden am Strand
gesehen der dabei war, einen 'MiniCat' zusammenzubauen. Das ist ein
winzig kleiner Katamaran, den man in einer halben Stunde zusammenbauen
kann, und dessen Schwimmer man aufblasen muß. Zu unserem großen Glück
durften wir ihn ausleihen. Leider ist die Regenzeit auf Bonaire noch
nicht vorbei, und es regnet gerade hammerhart. Wir hatten eigentlich vor
zu Grillen, aber daraus wird wohl nichts werden. Nun ja, wir amüsieren
uns auf Guppy auch ganz gut. Leider fliegt meine Schwester morgen wieder
nach Hause, da sie wieder zur Schule muß. Nach ihrer Abreise habe ich
noch ein paar Tage Zeit, um mit meinem Vater ein paar kleine Probleme
auf Guppy zu beheben. Und dann... fliege ich in die Niederlande. Das
wird merkwürdig sein, wieder mal eine Woche dort zu sein. Ich habe große
Lust auf die HISWA [Bootsausstellung in Amsterdam, 1. - 6. März 2011],
aber nicht auf die Kälte. Habe ich das richtig verstanden: die
Temperatur liegt um den Gefrierpunkt und ab und zu fällt nasser Schnee?
Brr... Hat irgendjemand Thermo-Klamotten, die er mir leihen könnte? Bis
nächste Woche aus dem, wie ich hoffe, etwas weniger kalten Amsterdam,
Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 28
'Die Zeit in den Niederlanden fliegt vorbei'
Amsterdam, Donnerstag, 3. März 2011, 16:30
"Meine Zeit hier in den Niederlanden fliegt vorbei. Anfangs habe ich
ihr mit gemischten Gefühlen entgegengesehen. Die Kälte, der Stress, die
vielen Menschen, die auf mich einstürmen werden und ein proppenvoller
Terminkalender. Aber inzwischen habe ich mich daran gewöhnt. Natürlich
habe ich viel Stress. Meine Vorträge und Segelstunden auf der HISWA,
viele Freunde und Bekannte, die mich dort aufsuchen und eine Menge
anderer Verpflichtungen. So bin ich unter Anderem im Hafenkrankenhaus
gewesen wegen einiger Impfungen gegen Krankheiten, die ich noch nicht
gehabt habe, Hepatitis A und B zum Beispiel, und für den Einkauf von
Malariapillen, die ich bald nötig haben werde. Daneben habe ich hart an
der Vorbereitung meines Vortrags gearbeitet, den ich am Mittwochabend
vor den Seglern des Jachtclubs Seaport in Ijmuiden gehalten habe. Das
war eine besondere, auch lehrreiche Erfahrung für mich. Ich war vorher
überhaupt nicht nervös. Aber ich neigte dazu, zu schnell zu sprechen.
Und auch das Vorlesen von einigen Stellen aus dem Buch, das ich gerade
schreibe, ging etwas schnell. Aber dann fand ich doch die nötige Ruhe,
und danach wurde ich mit enthusiastischen Fragen über das Segeln und
viele damit zusammenhängende Dinge geradezu bestürmt. Alles in allem war
es großartig, vor einem Saal segelbegeisterter Menschen zu sprechen. Es
kommen sowieso immer wieder nette Leute zu mir. Ich habe auch den
Eindruck, daß die Menschen inzwischen viel positiver über meine Reise
denken als vorher... Davon abgesehen finde ich es prima, all diejenigen
die mir lieb und teuer sind, wiederzusehen. Während der kommenden Tage
werde ich viel Zeit mit meiner Mutter und meiner Schwester verbringen.
Inzwischen sind auch mein Vater und meine Großeltern, die noch in
Bonaire waren, auf Schiphol [Flughafen von Amsterdam] gelandet. Ich
werde auch bestimmt eine Nacht 'zu Hause' in Den Osse schlafen. Bevor es
mir richtig bewußt sein wird, sitze ich wieder im Flugzeug in Richtung
meines ‘richtigen’ Zuhauses für das nächste Jahr: Guppy. Bereits nächste
Woche werde ich mit ihr in Richtung Curacao segeln - mit einer Menge
schöner Erinnerungen im Gepäck. Danke schön, Niederlande! Liebe Grüße,
Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 29
'Das ist meine Traumreise'
Bonaire, 10 März 2011, 9.50 Uhr
"Ich hätte nie gedacht, daß eine Woche Niederlande so ermüdend sein
kann! Bitte versteht mich nicht falsch: es war wunderbar, mal wieder
kurz vorbeizuschauen, aber ich bin völlig geschlaucht. Es war ein
ständiges hin- und her rennen bzw. -fliegen. Von den Vorträgen und
Segelstunden, die ich jeden Tag auf der HISWA gab, verschiedenen
Interviews bis hin zum Regeln von verschiedenen Angelegenheiten die mein
Boot betrafen. Und dann habe ich versucht, so viel Zeit wie möglich mit
meinen Eltern, anderen Familienmitgliedern und Freunden zu verbringen.
Und vieles von dem, was ich außerdem noch tun wollte, hat nicht
hingehauen. Am Mittwoch wurde ich von meinem Vater und meinen Großeltern
wieder nach Schiphol gebracht. Inzwischen bin ich wieder zu Hause - auf
Guppy. In ein paar Tagen fahre ich weiter. Zuerst nach Aruba oder
Curacao um dort einzukaufen und Diesel und Trinkwasser für meine
Überfahrt über den Pazifik zu tanken. Danach setze ich Kurs auf die San
Blas Inseln. Viele Segler, die genau wie ich durch den Panamakanal
fahren wollen, machen dort einen letzten Zwischenstop. Auch fände ich es
interessant, mich dort umzusehen. Ich habe gehört, daß dort noch echte
Indianer leben, und man mit Kokosnüssen bezahlen kann. Eine Kokosnuß hat
den Wert von 10 Dollarcent. Das will ich mit eigenen Augen sehen.
Während der letzten Tage wurde ich oft gefragt, warum ich die Welt nicht
nonstop umsegle wie Jessica Watson. Ich mache diese Reise um die Erde
zu umsegeln, und unterwegs so viel wie möglich von den Menschen und den
Ländern, die ich anlaufe, zu sehen. Jede neue Ziel ist wieder eine
wichtige Lehrstunde in Erdkunde, Biologie, Geschichte, Englisch oder was
auch immer. Ich lerne auf diese Weise viel mehr als wenn ich zwei Jahre
lang normal zur Schule gehen würde. Wenn es mir gelingen sollte, das
als Jüngste aller Zeiten zu tun, wäre das fantastisch. Aber es muß immer
meine Traumreise bleiben. Ich mache diese für mich selbst, und für
niemand anderes! Bis nächste Woche, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 30
Unterwegs nach Panama
Donnerstag, 17. Märt 13.33 Uhr
"Ich bin wieder unterwegs. Ich habe bereits 600 Seemeilen [1111
Kilometer] zurückgelegt und sollte morgen auf den San Blas Inseln,
meinem letzten Zwischenstop vor dem Panamakanal, ankommen. Eigentlich
wollte ich nach Aruba oder Curacao um dort einzukaufen, aber ich hatte
keine Lust auf den Stress, und außerdem scheint in Panama alles billiger
zu sein, da dort nicht alles aus den Niederlanden eingeführt werden
muß. Darüber hinaus habe ich ohnehin genug Zeit bevor ich weiter kann.
Der Panamakanal ist ein stark frequentierter Schifffahrtsweg, durch den
man nicht einfach so hindurchfahren kann. Zuerst muß das Boot vermessen
und überprüft werden, und dann muß man sich eine Mannschaft suchen. Das
wird nämlich die einzige Etappe meiner Reise sein, die ich nicht allein
fahren darf. Da der Panamakanal schmal ist, und auch um Unglücken
zuvorzukommen, muß man einen Lotsen an Bord nehmen. Davon abgesehen muß
man vier Personen an Bord haben, die einem helfen, durch die Schleusen
zu kommen. In einer solchen Schleuse wird man um neun Meter angehoben
und muß immer in der Mitte bleiben. Das wird mithilfe von vier Tauen
bewerkstelligt, die man vom Rand der Schleuse zugeworfen bekommt, und
die während der Schleusung stramm gehalten werden müssen. All das zu
regeln benötigt Zeit. Erst danach bekommt man einen Termin zugewiesen,
an dem man durch den Kanal fahren darf. Das warten hierauf kann unter
Umständen mehrere Wochen lang dauern. Darum bin ich froh, jetzt noch
segeln zu können. Ich fahre etwa 50 Seemeilen [93 Kilometer] vor der
Küste und habe während der letzten Tage nur Wasser um mich herum
gesehen. Aber ich begegne regelmäßig Frachtschiffen. Zwei fuhren genau
auf mich zu, und eines von ihnen reagierte nicht auf meine Anrufe über
UKW-Funk. Zum Glück passierte das am Tag, sodaß ich es schon in großer
Entfernung sehen konnte. Daneben habe ich das Glück, daß gerade Vollmond
ist, und ich auch nachts gute Sicht habe. Sehr praktisch um squalls
(kräftige Böen mit Regen und Wind) frühzeitig zu sehen. Aber bis jetzt
war das Wetter herrlich: ich hatte dauernd Wind der Stärke 6 von hinten.
Besser geht's nicht. Grüße von See, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 31
'Es scheint mir, als wäre ich in einem Reiseprospekt gelandet'
Mittwoch, 23. März 2011, 13.30 Uhr
"Weiße Strände, Palmen, strahlende Sonne und eine azurblaue See. Es
scheint mir, als wäre ich in einem Reiseprospekt gelandet. Es ist so
wunderschön hier auf den San Blas Inseln. Gestern gab es auf einer der
unzähligen kleinen Inseln eine Grillparty für all die Jachten, die, wie
ich, hier vor Anker liegen. Ich habe viele nette Leute kennengelernt,
unter Anderem die Nachbarn von Abby Sunderland. Abby wollte voriges Jahr
als Jüngste aller Zeiten die Welt umsegeln. Sie wollte das jedoch
nonstop tun, da sie sonst als 16-jährige den Altersrekord nicht hätte
brechen können. Leider kam sie auf halbem Wege durch den südlichen
Indischen Ozean in einen heftigen Sturm, der ihr Boot ernsthaft
beschädigt, und sie gezwungen war, ihre Tour abzubrechen. Sehr lustig,
daß man an den merkwürdigsten Orten immer wieder irgendwelche 'Bekannte'
trifft. In den letzten Tagen habe ich auch einiges an Informationen
über den Panama aufschnappen können. Dorthin werde ich mich in ein paar
Tagen aufmachen. Ich bin gespannt, wie lange es wohl dauern wird, bis
ich durch den Panamakanal fahren darf. Meine Eltern haben während ihrer
Weltreise drei Wochen warten müssen, bevor sie mit ihrer Jacht durch den
Kanal fahren durften. Ich hatte inzwischen auch Kontakt mit der
niederländischen Botschaft. Ob die mir wohl helfen können? Der
Panamakanal ist ein stark frequentierter Schifffahrtsweg. Dort wird ein
sehr straffer 'Fahr'plan praktiziert, da man durch mehrere Schleusen
hindurch muß. Frachtschiffe haben grundsätzlich Vorrang, und als Jacht
muß man Glück haben, daß so ein Schiff nicht die ganze Länge der
Schleuse benötigt, sodaß man noch hinein passt. Na gut, ich habe Geduld
und hoffe, daß es vor dem 10. April klappen wird. Es ist prima, daß mein
Vater mitfahren wird. Ich habe meinen Vater ein paar Mal kurz
hintereinander gesehen, werde ihn danach aber für lange Zeit vermissen.
Wenn ich den Pazifik überquere, werde ich lediglich ein paar kurze
Zwischenstops machen. Vielleicht werde ich ihn erst in Australien
wiedersehen, in einem halben Jahr etwa. Bis nächste Woche, dann aus
Panama. Grüße, Laura."
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 32
'Ich bin in Panama, aber es sieht hier aus wie in Rotterdam'
Donnerstag, 31. März 2011, 10.37 Uhr
"Ich bin müde! Ich habe eine anstrengende Tour von den San Blas Inseln
zum Panamakanal hinter mir. Ich bin am Dienstagnachmittag losgesegelt
und heute Morgen in einem Hafen bei Colón [Shelter Bay Marina]
angekommen. An sich war es eine schöne Tour; ich hatte einen kräftigen
Wind schräg von achtern und nur wenig Dünung. Guppy fand den Weg fast
von selbst. Jedoch habe ich währenddessen nicht schlafen können, da
unterwegs sehr viel Frachtschiffverkehr herrschte. Das bin ich zwar von
meinen Reisen nach England gewöhnt, jedoch muß man ständig aufpassen.
Bei meiner Ankunft hier schien es mir, als würde ich in Rotterdam
einlaufen. Hier sieht es beinah genauso aus mit all den Frachtschiffen.
Jedoch gibt es hier mehr Berge und Palmen. Nach meiner Ankunft bin ich
sofort daran gegangen, einige Dinge zu regeln. Mein Schiff ist
inzwischen vermessen und überprüft worden, und ich mußte dutzende
Formulare mit immer wieder denselben Angaben ausfüllen. Hoffentlich
bekomme ich schnell einen Platz auf der Warteliste für den Panamakanal.
Ich hatte es schon befürchtet, aber jetzt weiß ich sicher, daß es ein
paar Tage dauern wird, bevor ich durchfahren darf. Hier im Hafen liegen
dutzende Jachten und vor der Küste noch weitere 15, die noch vor mir an
der Reihe sind. Ich fand es ziemlich ärgerlich, daß sofort nach meiner
Ankunft ein ganzes Heer von Journalisten vor meiner Nase stand. Ich habe
ihnen erklärt, daß ich 24 Stunden nicht geschlafen hatte, noch viel tun
müsse, und habe sie gebeten, morgen wiederzukommen. Keine Chance: sie
machten weiter ihre Aufnahmen und stellten mir Fragen. Einer fragte mich
sogar, wie ich eigentlich heiße. Noch Stunden später habe ich kochend
vor Wut an Bord gesessen. Ist es denn völlig unmöglich, ein bisschen
respektvoll zu sein? Nun habe ich meinen Ärger hinuntergeschluckt und
denke nur noch daran, endlich schlafen zu können. Ich gehe noch schnell
etwas essen und danach ins Bett. Bis nächste Woche, hoffentlich 'live'
vom Panamakanal! Grüße, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 33
Tauziehen im Panamakanal
Donnerstag, 7. April 2011, 16.10 Uhr
"Ich bin gerade zurück von einer Tour durch den Panamakanal. Zwar darf
ich erst morgen mit Guppy hindurchfahren, aber ich bin schon mal auf dem
Boot von Freunden, die eher an der Reihe waren, durchgefahren - als
'line handler'. Wie schon erwähnt, muß man mit mindestens sechs Leuten
auf dem Boot durch den Kanal fahren: vier Personen müssen in den
Schleusen die Leinen festhalten, um das Boot in deren Mitte zu halten.
Dann ist da noch der Lotse, der einen berät, und als Kapitän muß man
darauf achten, daß alles glatt geht. Schon in der ersten Schleuse war
das Chaos perfekt. Wir mußten mit drei Jachten hindurch, vor und hinter
uns Frachtschiffe. Die Jachten mußten miteinander vertäut werden, und
das war ein ziemliches Gedöns. Aber als wir es endlich geschafft hatten,
lief es wie geschmiert. Ich war auf dem mittleren Boot, und brauchte
deshalb nichts zu tun. Auch in den anderen Schleusen, durch die wir
durch mußten, lief es gut. Ich hatte zuvor heftige Geschichten darüber
gehört, aber letzten Endes war es genauso, als wäre ich in den
Niederlanden durch eine Schleuse gegangen. Jedoch sahen wir bei der
letzten Schleuse auf einmal einen Krankenwagen vorfahren. Offenbar war
beim festhalten der Taue auf einem der Boote hinter uns etwas
schiefgegangen. Dem Vernehmen nach hatte jemand ein paar Finger
verloren... Die Fahrt durch den Kanal war großartig. Wir hatten eine
wunderschöne Aussicht auf Berggipfel, Wälder und hörten nachts das
Kreischen von Affen. Unterwegs hatten wir auch noch Zeit für eine
Wasserschlacht. Wir haben anderthalb Tage für die Tour gebraucht und
sind am Abend des zweiten Tages mit allen “line handlers” nach Colón
zurückgefahren. Heute Abend wird hier im Hafen eine Party für mich
gegeben, und gleich werde ich mit dem aufblasbaren Katamaran segeln
gehen, den ich seit Kurzem habe. Aber vorher muß ich noch fleißig
Schularbeiten machen. Bis nächste Woche! Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Anstelle von Lauras Kolumne der Woche 34 erschien am Samstag, dem 16. April 2011 folgender Artikel im Algemeen Dagblad
Segelmädchen Laura fährt durch den Panamakanal
'Ich bekomme langsam meine eigene Familie hier auf See'
Panama City - Die Seglerin Laura Dekker (15) fuhr diese Woche durch den
Panamakanal, das einzige Teilstück ihrer Weltreise, das sie nicht
allein zurücklegen durfte. Bei den weltberühmten Miraflores Schleusen
war ihre Überraschung groß. Einige dutzend Niederländer winkten ihr dort
spontan zu.
"Laura, siehst Du dort auf dem Aussichtsturm die
vielen Leute stehen? Die stehen dort wegen Dir." Dieser Hinweis an die
junge Seglerin, die in diesem Moment mit ihrem Boot in die Weltberühmten
Miraflores Schleusen einfährt, sollte eigentlich ein Scherz sein. Aber
als Laura genauer hinsieht, scheint der Turm tatsächlich nur mit Fans in
orangefarbenen T-Shirts und mit Niederländischen Flaggen bevölkert zu
sein. Ein breites Lächeln zeichnet sich auf ihrem Gesicht ab. "Sind die
wegen mir gekommen? Oder kommt noch ein anderes Niederländisches Schiff
vorbei?" fragt sie verzweifelt während sie zum Turm hinüberwinkt. Und
wirklich - die Leute winken zurück.
Der Tag zuvor. Kurz nach drei
Uhr nachmittags wartet Laura auf einem Ankerplatz nahe der Hafenstadt
Colón auf den Lotsen, der sie durch den Panamakanal begleiten soll. Um
die Wartezeit sinnvoll zu nutzen, springt sie mit einem Schnorchel und
einem Spachtel bewaffnet ins Wasser. Guppy kommt nicht auf volle
Geschwindigkeit, obwohl sie es eigentlich müßte. Darum taucht Laura
unter ihr Boot, um die Propeller der beiden Motoren von Algen und
Muscheln zu befreien. 'Das macht viel aus hinsichtlich der
Geschwindigkeit". Erstaunt schüttelt Lotse Francisco kurze Zeit später
die Hand der HAVO-Schülerin [siehe Anmerkung unten] ('Ich werde bald in
die 5. Klasse versetzt), die ihm sagt, daß sie der Kapitän von Guppy
ist. Er zwinkert mit den Augen, fängt jedoch dann mit seinen Erklärungen
an, wie sie zwischen dem vielen Schiffsverkehr bei der ersten Schleuse
in den Kanal kommt. Laura bleibt dabei ganz ruhig. Diese Situation ist
bezeichnend dafür, wie sie in den letzten neun Monaten, seitdem sie
unterwegs ist, gewachsen ist. Nicht hinsichtlich der Körpergröße - sie
ist noch immer nicht viel größer als Madonna - aber im Hinblick auf ihre
persönliche Reife. Sie hat den letzten Rest Kindlichkeit von sich
abgeschüttelt. Überall macht sie, freundlich aber bestimmt, deutlich was
sie will und wie sie es will.
KROKODIL
Auf Guppy
fühlt sich die zarte, mittlerweile tief sonnengebräunte Blondine
inzwischen vollkommen zu Hause. Davon zeugen die Wände der Kajüte, die
mit Bildern und Fotos von Freunden, Familienmitglieder und Erinnerungen
an die Orte, die sie besucht hat, zugepflastert sind. "Im vergangenen
Jahr habe ich mich so daran gewöhnt, alleine zu wohnen, so daß es
merkwürdig ist, zusammen mit all den Menschen heute Nacht an Bord zu
schlafen," sagt sie in Bezug auf die Besatzung, deren Anwesenheit
während der Durchfahrt durch den Panamakanal Pflicht ist. Dazu gehören
ein Panamesischer Lotse - der abends wieder nach Hause fahren wird - und
vier 'linehandlers', die sie selbst aussuchen durfte. Laura hat
Freunde, die sie unterwegs kennengelernt hat, gebeten, als
'Taufesthalter' zu fungieren. "Segler helfen einander immer. Ich selbst
bin auch kürzlich auf einem anderen Boot als 'linehandler' mitgefahren,
um mir alles schon einmal anzusehen." Kurz vor der Schleuse, die Guppy
27 Meter in die Höhe heben wird, begrüßt Laura einen Australischen
Kapitän. Seine Jacht und die von Laura werden miteinander vertäut und
fahren dann im Schneckentempo in die Schleuse. Unterwegs werden ein paar
Neuigkeiten ausgetauscht. "Habt ihr gerade das große Krokodil am Ufer
gesehen?" fragt der Australier ernst. "Es ist gerade zurück ins Wasser
geglitten." Dann heißt es aufpassen. Nicht wegen anderer 'treibender
Baumstämme', sondern wegen der Trossen, die von den Seiten der Schleuse
zu den Jachten geworfen werden. Auf beiden Seiten der Jachten müssen
diese Taue von den 'linehandlers' festgehalten und stramm gezogen
werden, während das Schleusenwasser in die Höhe sprudelt. Manchmal geht
etwas schief mit den Tauen, weiß Laura zu berichten. "Ich will lieber
nicht wissen, wie viele Zehen und Finger in der mittleren Schleuse
liegen."
PFANNKUCHEN
Nach der Schleuse wird Laura über
einen riesigen, von tropischen Regenwäldern gesäumten See, der das
erste Teilstück des Panamakanals bildet, zu einer 'mooring' geleitet.
Das ist eine Boje, an der Guppy für die Nacht anlegen muß. Kurz darauf
legen auch der Australier und ein Amerikanisches Ehepaar an. Laura
spielt Gitarre und backt Pfannkuchen für ihre Gäste. Mit den Nachbarn
werden Bier und Seemannsgarn getauscht. Ob Laura denn wisse, daß schon
mal ein Surfer durch den Panamakanal gefahren ist, und daß sich kürzlich
ein Japaner ohne Hände gemeldet hat, der behauptet, um die Welt
gesegelt zu sein?
Laura schläft in ihrem Schlafsack unter dem
Sternenhimmel im Netz des Katamarans der Nachbarn. Um fünf Uhr früh
beschließt eine Horde Brüllaffen im Regenwald, alle aufzuwecken. Laura
bekommt einen neuen Lotsen an Bord, der sie mahnt, sich zu beeilen. Sie
muß gegen Mittag bei den Miraflores Schleusen sein, die aus dem
Panamakanal hinausführen. Bevor alle es richtig begreifen, ist die
Passage durch den Panamakanal zu Ende. Der Abend wird mit einem
Grillfest beschlossen, und danach nehmen alle 'linehandler' abschied von
Laura. In ein paar Tagen wird sie mit der Überquerung des Pazifischen
Ozeans in Richtung Darwin, Australien, beginnen. "Ich finde es nicht
schlimm, wieder allein zu sein. Darüber hinaus lerne ich als Segler
unterwegs sehr viele neue Menschen kennen. Man begegnet sich and den
ungewöhnlichsten Orten bei einem Zwischenstop wieder. So langsam bekomme
ich meine eigene Familie auf See."
Suzanne Docter
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
HAVO: hoger algemeen voortgezet onderwijs = Fachoberschule. Der
Abschluß ist in etwa mit dem deutschen Fachabitur zu verbleichen.
Entsprechend der Deutschen Zählweise ist Laura im April 2011 in der 9.
Klasse.
Ein Video mit Webcambildern von Lauras Kanaldurchfahrt ist hier
http://www.facebook.com/video/video.php?v=193577627356354
zu finden.
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 35
Segeln mit zwanzig Delfinen hinter mir
Donnerstag, 21. April 2011, 13.32 Uhr
"Jippie! Ich habe mit der Überquerung des Pazifischen Ozeans begonnen.
Ich habe diese Woche noch zwei Tage vor der Küste von Las Perlas, einer
Inselgruppe in der Nähe von Panama, gelegen, und bin gerade dabei, zu
den Galápagosinseln zu segeln. Ich habe in diesen paar Tagen mehr
Seetiere gesehen als während meiner ganzen Atlantiküberquerung. Ich habe
eine Wal, einen Hai und viele Rochen gesehen, und wurde heute zwei
Stunden lang von einer Schule von etwa 20 Delfinen verfolgt. An sich
habe ich mich daran gewöhnt, Delfinen zu begegnen, aber so viele auf
einmal hatte ich noch nie gesehen. Ich habe sie ausgiebig gefilmt und
fotografiert. Es ist auch aus anderen Gründen wunderbar, auf dem Pazifik
zu segeln. Die Dünung ist viel länger und man weniger hin und her
geschaukelt. Es wird auch immer wärmer. Das ist auch nicht weiter
verwunderlich, denn in wenigen Tagen werde ich den Äquator passieren.
Der Äquator liegt zwar ohnehin auf meiner Route, aber man muß ihn
offiziell einmal überqueren wenn man solo um die Welt segelt. Das
einzige was ich schade finde, ist, daß ich nicht die ganze Zeit Wind
habe. Am Tag flaut er oft ab um dann nachts wieder zurück zu kommen.
Daher mußte ich am ersten Tag den Motor benutzen, was ich nicht so toll
finde. Gestern ging es auf einmal viel besser, und ich habe in 24
Stunden 140 Seemeilen [259 Kilometer] zurückgelegt. Das ist ziemlich
viel für einen Tag. Heute muß ich noch abwarten wie es laufen wird. Aber
mit ein wenig Glück komme ich in sieben bis acht Tagen auf den
Galápagosinseln an. Ich beabsichtige, mir dort die Projekte von Sea
Shepherd, einer Organisation, die ich unterstütze, anzusehen. Dem
vernehmen nach scheint Sea Shepherd Schildkröten zu beschützen, die
zehnmal so alt sind wie ich - ich bin gespannt. Grüße, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 36
Pfannkuchen mit Sirup für Neptun
Donnerstag, 28. April 2011, 13.29 Uhr
"Hä?! Über UKW-Funk bekomme ich eine Nachricht von einem Schiff, das in
meiner Nähe vor Anker liegt. Es schwimmen Haie rund um Guppy. Sehr
kleine zwar, aber schön anzusehen! Das ist hier sowieso ein einziger
Zoo. Überall wohin man blickt, ob im Wasser oder auf dem Anlegeplatz für
Beiboote, schwimmen, liegen oder hüpfen Seehunde herum. Ich bin gerade
zurück von einer Wanderung über Santa Cruz, einer von den
Galápagosinseln, wo ich jetzt bin, und wo wir einen Ort an dem es
riesige Schildkröten gibt, besucht haben. Was sind diese Viecher doch
träge! Eine von ihnen brauchte 10 Minuten um aufzustehen. Eine andere
Schildkröte hieß Gordon und ist mindestens hundert Jahre alt. Ferner
habe ich die Bekanntschaft der Leute von Sea Shepherd gemacht, die hier
allerhand Projekte leiten. Sie lehren die Kinder, die Schildkröten in
Ruhe zu lassen und die Natur zu respektieren. Die Überfahrt von Panama
hierher war eine der schönsten, die ich bisher gemacht habe. Ich habe
mit nur wenig Wind gerechnet, aber es lief besser als erwartet. Kurz vor
Galápagos habe ich den Äquator überquert. Natürlich stand dort kein
Schild mitten auf See, aber ich habe es auf meinem GPS Gerät sehen
können. Es ist eine Tradition unter Seglern, in diesem Moment etwas an
Neptun zu opfern. Ich habe ihm einen Spezialpfannkuchen gebacken und mit
Sirup 'Für Neptun von Guppy' darauf geschrieben. Zusammen mit den
Leuten auf dem Schiff, das die ganze Überfahrt mit mir zusammen gemacht
hatte, haben wir die Musik laut aufgedreht, und zusammen haben wir
swingend die magische Grenze überquert. Ich habe wieder einen schönen
Meilenstein erreicht. Grüße, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 37
Ich gehe ganz ruhig ins Wasser um Haie anzusehen
Donnerstag, 5. Mai 2011, 10.51 Uhr
"Es ist etwas Besonderes passiert. Ich habe meine Angst vor Haien
überwunden. Seitdem ich acht bin hatte ich panische Angst vor diesen
Viechern. Schwimmen im Meer fand ich immer nur so lala, und sobald sich
das Wasser in meiner Nähe auch nur ein bisschen kräuselte, stürmte ich
wieder aus dem Wasser heraus. Aber das ist Vergangenheit seitdem ich auf
den Galápagosinseln bin. Es gibt hier eine Menge Haie, und auch
Exemplare, die viel größer sind als die, die vorige Woche um mein Boot
herumschwammen. Ich habe gelernt, daß man als Taucher ruhig ins Wasser
gehen kann um sie anzusehen. Sie schwimmen dann einfach unter einem
durch. Ich bleibe noch ein paar Tage hier hängen. Ich habe inzwischen
ganz ordentlich surfen gelernt und werde heute mit einer Freundin zu
einer Insel fahren, wo es offenbar echte Galápagospinguine gibt. Ich bin
ziemlich gespannt. Inzwischen bin ich auch bereits bei den
Vorbereitungen für meine Überfahrt zu den Marquesasinseln
(Französisch-Polynesien) beschäftigt. So habe ich gestern mit Hilfe von
Schwimmflossen, einer Taucherbrille und einem Spachtel das
Unterwasserschiff [von Guppy] vollkommen von Algen und Muscheln befreit.
Das ist keine so angenehme Arbeit, aber man muß das etwa einmal im
Monat machen, da der Bewuchs in diesen tropischen Gewässern sehr schnell
zunimmt. Diese Überfahrt wird länger dauern als die Überfahrt über den
Atlantik. Aber ich bin inzwischen an einiges gewöhnt. Wochenlang allein
zu sein, Sturm, Regen, hin und her geschmissen zu werden von hohen
Wellen, viel Wind und Windstille... ich hab das alles schon mitgemacht.
Diese Woche ist es übrigens genau ein Jahr her, daß Guppy zu Wasser
gelassen wurde und ich zum ersten Mal mit ihr gefahren bin [1. Mai
2010]. Es ist ein wahnsinniger Gedanke, daß sie mich inzwischen 76.809
Seemeilen [offenbar 7680 Seemeilen] oder 14.225 Kilometer von zu Hause
weggebracht hat. Bis nächste Woche! Grüße, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 38
Auf See mit einer kleine Eidechse und zwei Kakerlaken
Donnerstag, 12. Mai 2011, 12.54 Uhr
"Herrlich! Ich bin wieder auf See und kann seitdem wieder gut schlafen.
Es war prima, Santa Cruz und die Galápagosinseln gesehen zu haben, aber
mein Ankerplatz war schrecklich. Durch eine dauernde, kräftige Dünung
wurde ich nachts jedes Mal von der einen zur anderen Seite meines Bettes
geschmissen. Die einzige Methode, mit der das schlafen halbwegs
klappte, war, mich schräg ins Bett zu legen und meinen Körper zwischen
zwei Wänden einzuklemmen. Auf See hole ich mein Schlafdefizit langsam
aber sicher wieder auf. Ich muß alle anderthalbe Stunde aufstehen um
festzustellen, ob wir noch in die richtige Richtung fahren, und ob sonst
nichts Merkwürdiges passiert. Aber daran bin ich gewöhnt. Darüber
hinaus tauche ich schon abends um acht in mein Bett um sicherzustellen,
daß ich auch wirklich genug Schlaf bekomme. Soviel zu meiner
Nachtruhe... Ich habe schon 650 Seemeilen [1204 Kilometer] zurückgelegt
und habe noch etwa 2330 Seemeilen [4315 Kilometer] vor mir, daher wird
es wohl noch gut zwei Wochen dauern. Die Überfahrt von den
Galápagosinseln zu den Marquesasinseln (Französisch-Polynesien) wird die
längste meiner gesamten Weltreise sein. Bis jetzt läuft alles prima.
Ich habe guten Wind und die Sonne scheint. Die Tage verlaufen alle
ungefähr gleich. Morgens habe ich über SSB [Kurzwelle] Funkkontakt mit
anderen Schiffen, die ich zwar nicht sehen kann, die aber die gleiche
Überfahrt machen. Den Rest des Tages verbringe ich abwechselnd mit
lesen, den Kurs korrigieren und die Segel trimmen, mit dem über Bord
werfen von Fliegenden Fischen und Tintenfisch - die wider besseres
Wissen an Bord springen - und mit dem essen von Bananen. Auf Santa Cruz
habe ich eine mannshohe Staude geschenkt bekommen. Leider saßen zwei
blinde Passagiere darin: zwei riesige Kakerlaken, die sofort ein
Seemannsgrab bekamen. Gegenüber einem anderen ungebetenen Gast war ich
etwas großzügiger: es tauchte noch eine schöne kleine Eidechse auf. Ich
glaube nicht, daß in den Statuten über Solosegeln irgendwas über
Reptilien steht. Daher kann sie von mir aus ein paar tausend Meilen
mitfahren. Grüße vom Pazifischen Ozean, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 39
Ein tiefer Schnitt in meinem Fuß
Donnerstag, 19. Mai 2011, 11.13 Uhr
"Ich weiß noch immer nicht genau, wie es passiert ist. Ich stand im
Eingang zur Kajüte als mich eine riesige Welle traf. Ich fiel nach
hinten und verletzte mir den Fuß. Woran? Ich habe keine Ahnung, sicher
ist nur, daß jetzt ein tiefer Schnitt drin sitzt. Ich möchte euch die
(blutigen) Details ersparen. Ich mußte die Wunde zum Glück nicht nähen:
ich habe das Ganze mit Klammern und Verband wieder zusammengeflickt. Die
Wunde verheilt gut. Stehen kann ich aber noch nicht auf dem Fuß. Zum
Glück komme ich auch ganz gut vorwärts indem ich auf meinen Zehen laufe.
Davon abgesehen läuft meine Reise über den Pazifik viel besser als die
über den Atlantik. Das war damals natürlich auch erst meine dritte große
Überfahrt - nachdem ich zweimal hin und zurück nach England gesegelt
bin -, und auch das Wetter unterwegs war furchtbar. Auf halbem Weg zog
auf einmal ein Sturm auf. Das habe ich übrigens erst ein paar Tage
später realisiert, als ich von einem Frachtschiff hörte, daß wir
Windstärke 9 durchgestanden haben. Nun scheint die Sonne, und bis
gestern hatte ich den besten Segelwind, den man sich nur wünschen kann.
Leider hat sich der Wind mittlerweile dazu entschieden, genau von hinten
zu wehen, und dadurch bin ich wieder den ganzen Tag mit den Segeln
beschäftigt - um dafür zu sorgen, daß sie sich nicht gegenseitig ins
Gehege kommen. Abgesehen davon mache ich den ganzen Tag über nicht viel
mehr als essen und schlafen. Ab und zu schaffe ich auch, ein paar Seiten
in 'Rosie', einem Buch über Rosie Swale, die mit ihrem Mann und ihrer
Tochter die Welt umsegelt hat, zu lesen. Zum Glück bin ich noch immer
ziemlich schnell und habe 'nur' noch 1130 Seemeilen [2093 Kilometer] vor
mir in Richtung Französisch-Polynesien. Ich erwarte, noch acht bis neun
Tage unterwegs zu sein. Bis dahin kann ich mir noch überlegen, was ich
danach tun werde: segle ich durch den Golf von Aden oder doch unten um
Afrika herum... Nächste Woche weiß ich es vielleicht. Grüße, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 40
Die Insel der Götter
Donnerstag, 26. Mai 2011, 14.35 Uhr
"Yes! Ich habe in siebzehn Tagen und 22 Stunden fast 3000 Seemeilen
[5556 Kilometer] zurückgelegt und bin wieder unter Land. Meine Überfahrt
über den Pazifik ist die längste, die ich bisher gemacht habe. Und ich
habe wieder einen Rekord in der Tasche: ich bin die jüngste
Soloseglerin, die dies jemals gemacht hat. Es war auch meine bisher
beste Überfahrt. Die über den Atlantik, von den Kapverdischen Inseln bis
nach Sint Maarten, war 'nur' 2000 Seemeilen [3704 Kilometer] lang und
dauerte auch siebzehn Tage. Ich kapiere selbst nicht ganz, wie ich das
gemacht habe. Insbesondere, da ich jetzt von anderen Booten hier in der
Bucht gehört habe, daß einige Segelschiffe, die vor mir losgefahren
sind, noch immer nicht angekommen sind. Während der letzten paar Tage
auf See hatte ich übrigens ein ziemliches Mistwetter. Böen mit viel
Regen und Wind), die ständig über uns hereinbrachen [Satz
unvollständig]. Auch hier in Hiva Oa, wo ich jetzt vor Anker liege,
regnet es andauernd. Das wird vielleicht mit den Bergen um mich herum
zusammenhängen, deren Gipfel irgendwo in den Wolken enden. Wenn es hier
einmal gießt, bleiben die Wolken auch eine Weile hängen. Es ist übrigens
eigenartig, nach zweieinhalb Wochen wieder Land zu sehen... Hiva Oa
(Französisch-Polynesien) soll wunderschön sein. Laut einer Sage der
Einheimischen sollen Götter diese Insel erschaffen haben um dort zu
leben. Und der Französische Chansonnier Jaques Breil und der Maler Paul
Gaugin liegen hier begraben. Doch habe ich im Augenblick noch nicht den
Drang, die Insel zu erkunden. Ich bin nur mal kurz von Bord gegangen um
eine Runde um Guppy zu paddeln und festzustellen, daß ich bald wieder
unter ihren Bug tauchen muß um eine dicke Schicht Algen und Muscheln
wegzukratzen. Aber zunächst werde ich etwas Schlaf nachholen und mich
dann wieder unter die Menschen begeben... Ich habe noch überhaupt keine
Ahnung, wie lange ich hierbleiben werde. Vielleicht ein paar Tage,
vielleicht eine Woche... Immer mit der Ruhe! Grüße, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 41
Blumenkränze und Bohnenketten
Mittwoch, 1. Juni 2011, 13.00 Uhr
"Ich habe heute meinen Kleiderschrank ausgemistet. Alle Winterklamotten
habe ich in einen großen Müllsack gepackt und im Bugraum verstaut. In
den nächsten Monaten werde ich sie bestimmt nicht mehr brauchen.
Obendrein ist es ganz praktisch, wenn man morgens wieder sehen kann, was
alles im Schrank hängt. Und daneben war ich mit aufräumen beschäftigt.
Ich habe einen großen Frühjahrsputz auf Guppy veranstaltet, und bin
dafür auch unter mein Boot getaucht, um den Bewuchs aus Algen und
Muscheln zu entfernen. Nun sieht sie wieder aus wie aus dem Ei gepellt.
Hier auf Hiva Oa (Französisch-Polynesien) habe ich inzwischen eine
großartige Woche verbracht. Die Menschen sind sehr freundlich und
fröhlich. Wenn man hier am Wegesrand in Richtung des Hafendorfes Atuona
geht, bekommt man im Nu eine Mitfahrgelegenheit angeboten. Unlängst war
ich mit einem Segler eines anderen Bootes auf der Suche nach einem
Internetzugang, und da hat uns ein Mann spontan sein Büro angeboten. Es
ließ uns alleine dort mit allen Schlüsseln und ging dann weg. Tja, wenn
wir uns sein Auto hätten ausleihen wollen, wäre das auch kein Problem
gewesen. Das passiert einem in den Niederlanden nicht so schnell, daß
man Menschen begegnet, die so vertrauensselig sind. Es war auch toll,
als Ehrengast zu einem Fest eingeladen zu werden, komplett mit Tänzern
und Trommlern. Ich bekam Bohnenketten und Blumenkränze geschenkt. Die
Kränze habe ich später an andere Segler als Glücksbringer verschenkt.
Auf See habe ich nicht so viel Verwendung für Blumen. Morgen segle ich
weiter in Richtung Tahiti. Ich muß nur noch die Karten studieren und den
Kurs ausknobeln, dann kann ich ablegen. Ich muß ungefähr 700 Seemeilen
[1296 Kilometer] zurücklegen und werde etwa sechs Tage unterwegs sein.
Wenn alles gut geht, wird die nächste Ausgabe meines Logbuchs wieder von
Land kommen. Parahi, bis demnächst! Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 42
Eine heikle Passage zwischen den Riffen hindurch
Donnerstag, 9. Juni 2011, 12.12 Uhr
"Ich finde, daß ich ziemlich stolz auf mich sein kann. Es ist mir
gelungen, nachts wohlbehalten zwischen den Riffen, die Tahiti umgeben,
hindurchzufahren. Im Dunklen sieht man ja nicht besonders viel, und als
ich am nächsten Morgen aufwachte, dachte ich nur 'wow, bin ich wirklich
dort durchgefahren'? Die Überfahrt von Hiva Oa war eine der heikelsten
bis jetzt. In diesem Gebiet liegen sehr viele Riffe, und jedes Jahr
scheitern hier einige hundert Segelschiffe. Man muß ständig
vorausdenken, immer genau wissen, wo man gerade ist, und einen
ordentlichen Abstand zu den Riffen halten. Auch kann man plötzlich von
squalls (Böen mit Regen und Wind in Sturmstärke) überrascht werden,
wodurch das Boot völlig aus dem Ruder laufen kann. Die Riffe, die einen
Ring um Tahiti bilden, haben den Vorteil, daß sich die Wellen auf ihnen
brechen. Wenn man mit seinem Boot zwischen diesem Ring von Riffen und
der Küste liegt, hat man automatisch einen sehr ruhigen und windstillen
Liegeplatz. Ich liege nun übrigens vor der Hauptstadt Papeete vor Anker.
Tahiti ist ziemlich groß, sauber und supermodern und zählt etwa 170.000
Einwohner. Es ist wieder ziemlich gewöhnungsbedürftig, nach so langer
Zeit wieder so viele Menschen, Staus und ein McDonalds - was nicht ganz
so schlimm ist - zu sehen. Von diesem ganzen Trubel abgesehen ist Tahiti
wunderschön: grün, mit vielen hohen Bergen und super-freundlichen
Leuten. Und das Wasser ist hier so klar, daß ich meinen Anker in zehn
Metern Tiefe sehen kann. Um Guppy herum liegen viele mir bekannte Boote,
aber ich habe auch neue Leute kennengelernt, zum Beispiel einen Segler,
der hier vor einigen Monaten strandete, und jetzt arbeiten muß, um sein
Boot reparieren zu können. Er hat mich und ein paar andere Segler zu
einem Tal mit einem Wasserfall gebracht - in einem Auto, das mit
Klebeband zusammengehalten wurde, und das durch das aneinanderhalten
zweier Drähte gestartet werden mußte. Leider kann ich nicht lange auf
Tahiti bleiben, denn ich muß weiter. Bis nächste Woche, - wer weiß von
woher. Liebe Grüße, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 43
Die Rochen fressen mir aus der Hand
Donnerstag, 16. Juni 2011, 14.14 Uhr
"Entschuldigung, ich bin ein bisschen platt. Ich war gestern Abend auf
einer Party an Bord des Bootes, mit dem Guppy vertäut ist, und es war so
lustig, daß ich lange geblieben bin. Seit zwei Tagen liege ich in einer
Bucht [Opunohu Bucht] auf Moorea (tahitianisch für 'Gelbe Eidechse'').
Das ist nur ein paar Stunden von Tahiti entfernt, aber trotzdem eine
ganz andere Welt. Moorea ist in etwa so groß wie Texel, ist aber
vulkanischen Ursprungs und sehr bergig. Es gibt hier nur einen Weg, die
um die ganze Insel herumführt und Straßennamen gibt es hier auch nicht.
Es leben hier sowieso nur 16.000 Menschen. Und obwohl es hier ein
schönes Ressort mit kleinen Häusern auf Pfählen im Wasser gibt, kommen
wie mir scheint nur wenige Touristen hierher. Die würden sich hier
prächtig amüsieren können. Ich selbst bin gestern an einer Stelle
gewesen, wo sich zahme Stachelrochen und Schwarzpunkthaie versammeln.
Sie schwimmen genau auf einen zu. Die Rochen - etwa einen bis eineinhalb
Meter groß - habe ich gefüttert, aber von den Haien habe ich mich
lieber ferngehalten. Danach bin ich auf einem megagroßen Segelschiff,
das etwas weiter weg vor Anker liegt, zu Besuch gewesen. Es hatte einen
Whirlpool auf dem Achterdeck und - für mich viel wichtiger - eine große
Segelmachernähmaschine. Mein Großsegel musste nämlich repariert werden.
Ich habe aber immer noch nicht die leiseste Ahnung, wie lange ich hier
bleiben und was ich heute tun werde. Ich lasse einfach alles auf mich
zukommen. Ganz sicher werde ich hier Tauchen gehen, denn auf Moorea
scheint es eines der schönsten Tauchreviere der Erde zu geben. Das
Wasser ist hier glasklar. Anfangs war das beim Segeln etwas
beängstigend. Ich habe zwar einen Tiefenmesser an Bord, ein paar Mal
bekam ich trotzdem fast einen Herzanfall, da es so aussah, als käme der
Meeresgrund immer näher. Solch ein klares Wasser hat natürlich auch
seine Vorteile: man sieht sofort, wenn etwas Großes mit vielen Zähnen
auf einen zuschwimmt, hahaha... Grüße, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 44
Schwimmen in einem großen Aquarium
Donnerstag, 23. Juni 2011, 12.19 Uhr
"Ich habe nun wirklich das Gefühl, daß ich mich mit Guppy in einem
riesigen Aquarium befinde mit all diesen tropischen Fischen, die unter
dem Bug durchschießen und den schönen, farbigen Korallen um mich herum.
Ich bin inzwischen weitergefahren und liege nun in einer Bucht auf Bora
Bora. Die Ankunft war nervenaufreibend. Von See aus hatte ich einen
schönen Ankerplatz mit einer in der Nähe liegenden Jacht ausgemacht. Ich
dachte, daß es dort tief genug für Guppy sein müsse. Weit gefehlt, denn
als ich vorsichtig zwischen den Korallen hindurchfuhr, rammte ich auf
einmal eine riesige Sternkoralle. Aua! Beim zweiten Versuch lief ich
wieder auf, und danach habe ich aufgegeben und habe an einer 'mooring',
einem schwimmenden Ankerplatz, angelegt. Das finde ich immer ein wenig
beunruhigend, denn man weiß nie, wie lange diese 'mooring' dort schon
liegt. Es besteht dabei die Gefahr, daß man mit der 'mooring' und allem
drum und dran wegtreibt. Das ist zum Glück nicht passiert, und als ich
unter Guppy hindurchschwamm, stellte ich fest, daß sie vollkommen
unbeschädigt war. Auf Bora Bora ist es wunderbar. Ich verstehe sehr gut,
warum so viele Leute hierher auf Hochzeitsreise kommen. Es ist wirklich
eine wunderschöne, grüne Insel mit schneeweißen Stränden und
fantastischen Tauchrevieren. Ich habe die Insel bereits erkundet indem
ich mit dem Fahrrad ganz herum gefahren bin, und ich habe mit einem
Amerikanischen Ehepaar eine Wanderung gemacht. Oben auf den Bergen
konnte man nicht nur Bora Bora sehen sondern auch alle Inseln rings
herum. Wahnsinn. Daneben bin ich mit meinem MiniCat segeln gewesen, habe
Guppy einer groß angelegten Reinigung unterzogen und werde heute mit
einem einheimischen Ehepaar Schnorcheln gehen. Kurzum: Stress, Stress
und nochmal Stress. Ich will hier noch übers Wochenende bleiben und dann
weiter nach Niue segeln, einem der größten Korallenatolle der Welt. Das
sind etwa 1100 Seemeilen [237 Kilometer] oder acht Tage segeln. Und
dann habe ich fast die Hälfte meiner Reise geschafft. Cool! Grüße,
Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 45
Es ist windstill und ich liege fix und fertig auf dem Sofa
Donnerstag, 30. Juni 2011, 13.24 Uhr
"Verdammt! Ich bin krank... Vermutlich habe ich mir auf Bora Bora eine
Grippe eingefangen. Gestern habe ich den ganzen Tag völlig erledigt mit
Halsentzündung und dröhnenden Kopfschmerzen auf dem Sofa gelegen.
Normalerweise ist Windstille ziemlich schlimm für einen Segler, aber
dieses Mal fand ich das prima. Für einen schmerzenden Kopf ist wenig
Seegang ideal. Nun fühle ich mich etwas besser, aber noch längst nicht
topfit. Ich kriege keinen Bissen durch meinen Hals, klinge wie ein
Frosch und glaube, daß ich auch die Husteritis bekomme, sobald sich der
ganze Schleim in meinem Kopf löst. Aber ach, hoffentlich habe ich das
Schlimmste schon hinter mir. Jedenfalls habe ich heute Nacht zum ersten
Mal seit Tagen gut geschlafen. Abgesehen davon läuft meine Überfahrt
prima, allerdings bin ich noch Nichts und Niemandem begegnet - selbst
keinen Fliegenden Fischen. Zweimal am Tag spreche ich über SSB-Funk mit
anderen Booten, aber die liegen alle ein ganzes Stück weit vor oder
hinter mir. An sich ist das nicht schlimm. Ich kann prima alleine sein,
und fange an, das Langstreckensegeln immer schöner zu finden. Ich werde
jetzt zum Beispiel noch sicher acht Tage unterwegs sein. Das Lustige
dabei ist, daß ich noch immer nicht weiß, wo es eigentlich hingeht...
Zuerst wollte ich nach Niue - das ist noch 700 Seemeilen [1296
Kilometer] weit entfernt. Jedoch tendiere ich immer stärker dazu, nach
Tonga zu segeln. Das sind 200 Seemeilen [370 Kilometer] mehr zu segeln,
und wenn ich dort ankomme, habe ich genau die Hälfte meiner Reise
geschafft. Das scheint mir ein fantastischer Meilenstein zu sein. Aber
was mache ich, wenn es windstill bleibt? Will ich dort etwa mit
laufendem Motor ankommen... Ich habe genug Diesel, das ist nicht das
Problem. Aber ich mache nicht umsonst eine Solosegelreise. Vielleicht
ist diese ganze Grübelei völlig unnötig. Während ich das hier schreibe,
fühle ich nämlich zum ersten Mal während dieser Überfahrt ein wenig Wind
und segle wieder. Nun muß ich nur hoffen, bitten und betteln, daß das
auch so bleibt. Grüße, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 46
Die halbe Welt
Dienstag, [5. Juli 2011], 7.00 Uhr
"Heute bin ich genau elf Monate und einen Tag lang unterwegs und fühle
mich topfit. Seit drei Tagen bin ich nicht mehr krank. Es ist mir letzte
Nacht auch endlich geglückt, normal zu schlafen. Am ersten Tag meiner
Überfahrt nach Tonga wehte nur sehr wenig Wind, und dann wehte entweder
zuviel Wind oder er kam aus der falschen Richtung. Ich war dauernd damit
beschäftigt, die Segel zu trimmen und dafür zu sorgen, daß wir auf Kurs
blieben. Aber jetzt macht der Wind genau das, was ich will und ich
habe meine Ruhe. Auch konnte ich heute Morgen zum ersten Mal draußen
sitzen ohne dauernd Salzwasser trinken zu müssen. Ungeachtet des Gedöns
mit dem Wind und meiner Grippe läuft Guppy wirklich superschnell. Ich
habe regelmäßig Kontakt mit einem Schiff, das zunächst 200 Seemeilen
[370 Kilometer] vor mir lag und jetzt nur noch 20 [37 Kilometer]. Aller
Wahrscheinlichkeit nach werden wir gleichzeitig auf Tonga ankommen. Ich
nehme an, daß das am Donnerstag sein wird. Und dann... ja, dann habe ich
ganz genau die Hälfte meiner Reise geschafft! Ich habe die Absicht,
höchsten eine Woche dort zu bleiben und dann weiterzufahren nach
Fidschi. Faktisch habe ich dann einmal die Welt umsegelt. Natürlich
nicht allen. Das erste Mal bin ich zusammen mit meinen Eltern zusammen
in vier Jahren von Fidschi zurück in die Niederlande gesegelt. Ich
selbst werde das jetzt natürlich etwas schneller machen. Mit ein
bisschen Glück werde ich im Juli nächsten Jahres [2012] mit meiner Runde
um die Welt fertig sein. Ich habe noch nicht wirklich darüber
nachgedacht, daß ich inzwischen schon so weit bin. Aber der Gedanke, daß
ich genau vor einem Jahr von einer Gerichtsverhandlung zur nächsten
gezerrt wurde, erscheint mir jetzt ziemlich verrückt. Ich hatte vor elf
Monaten und einem Tag nicht die leiseste Ahnung, nicht mal einen Funken
Hoffnung, daß ich meine Reise beginnen darf, und jetzt irgendwo mitten
auf dem Pazifik sein würde. Aber hier bin ich! Und da darf man doch wohl
stolz drauf sein. Bis nächste Woche! Grüße, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 47
Ich bin wahnsinnig gespannt auf Fidschi
[ohne Datum]
Ich habe gerade den Hafen von Tonga verlassen. Ich bin dort für fünf
Tage gewesen, und es war märchenhaft schön. Tonga besteht aus einer
Ansammlung kleiner, grüner Inseln. Ich wäre gern noch länger geblieben,
aber ich bin ja immer noch mit einem Rekordversuch beschäftigt. Daher
nehme ich jetzt Kurs auf Fidschi, was ungefähr vier Tage segeln
bedeutet. An sich ist das eine einfache Überfahrt, und auch die
Wettervorhersage ist günstig - viel Sonne und ausreichend Wind. Ziemlich
schade ist, daß mein SSB-[Kurzwellen-]Funkgerät vor ein paar Tagen den
Geist aufgegeben hat. Ich habe das Innerste nach außen gekehrt, aber ich
bekam es nicht mehr zum sprechen. Über SSB konnte ich mit anderen
Booten sprechen. Das ist natürlich praktisch wenn Probleme auftreten,
aber davon abgesehen auch sehr unterhaltsam. Das Quatschen mit anderen
Schiffen ist ein fester Teil meiner Morgenroutine geworden. Nun muß ich
mich mit den Geräuschen von Wind und Wellen zufriedengeben. Die
Möglichkeit, daß ich unterwegs einem Schiff begegne, das innerhalb die
Reichweite des UKW-Funks kommt (20 Seemeilen [37 Kilometer]), ist gleich
Null. Eine Amerikanische Firma hat spontan angeboten, mir ein neues
SSB-Funkgerät nach Fidschi zu schicken. Für mich ist das Grund genug, um
mich ein bisschen zu beeilen. Davon abgesehen bin ich wahnsinnig
gespannt auf Fidschi. Als Einjährige bin ich dort einen Monat lang mit
meinen Eltern gewesen. Ich habe noch verschiedene Fotos von damals.
Eines zeigt mich zum Beispiel, wie ich, angetan mit einer dicken Windel,
gerade dabei bin, die Kurbel der Winde auf dem Deck der Diario (unserem
Schiff) zu drehen. Auf einem anderen sitze ich bei meinem Vater in
einer Trage auf dem Rücken eines Pferdes, womit wir für ein paar Tage
durch die Berge gezogen sind, und auf einem weiteren Foto fahre ich in
einem Dinghy (Beiboot) herum. Meinen Eltern zufolge konnte ich schwimmen
bevor ich laufen konnte - wenn man herumpaddeln wie ein Hund als
schwimmen bezeichnen möchte. Ich erinnere mich an überhaupt nichts mehr
von damals, aber es ist etwas Besonderes, zurückzukommen. Man weiß ja
nie, vielleicht werde ich noch ein déjà-vu erleben. Bis nächste Woche,
Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 48
Zurück auf Fidschi
Donnerstag, 21. Juli 2011, 11.55 Uhr
"Es gibt noch mehr Fotos von mir auf Fidschi als ich dachte. So stieß
ich auf eines, auf dem ich von meiner Mutter - noch mit langen Haaren -
im Kinderwagen über den belebten Markt der Hauptstadt Suva gefahren
werde. Auf demselben Markt bin ich vor kurzem gewesen. mehr noch, ich
habe den Stand gefunden, an dem das Foto gemacht wurde. Nun möchte ich
ein Foto von mir machen, an genau derselben Stelle. Es erscheint mir
noch immer merkwürdig, nach vierzehn Jahren wieder hier zu sein. Ich
bekomme immer mehr Lust darauf, einen Abstecher nach Whangarei, dem Ort
in Neuseeland, an dem ich geboren wurde, zu machen. Leider habe ich
dafür keine Zeit. Aber während meiner nächsten Weltreise werde ich dort
sicher hinfahren. Das gleiche gilt übrigens für all die wunderschönen
Orte, die ich superschnell wieder verlassen mußte. 'Wunderschön' trifft
auch auf Fidschi zu. Ich bin hier am Sonntagabend angekommen, und das
war ein ziemliches Gedöns. Nicht wegen der Riffe, sondern weil man nicht
von Bord gehen darf, bevor nicht der Zoll und die Immigrationsbehörde
vorbeigekommen sind. Das dauerte bei mir fast den ganzen Tag. Kurz
nachdem bei mir alles geregelt war, kam die Sogno d'Oro hereingetuckert,
das Boot von Solosegler Henk [Oosterwijk], den ich über SSB-Funk kurz
vor Fidschi kennengelernt hatte und mit dem ich viel Zeit verbracht
habe. Wir sind gleichzeitig von Tonga abgefahren, aber da Guppy länger
ist, ist sie schneller als Henks Midget. Ich hatte versprochen, ihn mit
Pfannkuchen zu verwöhnen sobald er ankommt. Aber die Zollbeamten waren
der Ansicht, daß es zu spät sei, um ihn noch am gleichen Tag
abzufertigen, und daher durfte ich nicht zu ihm an Bord. Ich habe ihm
dann trotzdem welche gebracht, da ich nur zu gut weiß, daß man nach
einer langen Überfahrt keine große Lust hat, selbst zu kochen. Und ich
bin von ein paar Leuten von einem großen, rahgetakelten Segelschiff, das
hier in der Nähe ankert, eingeladen worden, ein paar Tage mitzukommen
und Tauchen zu gehen. Bis nächste Woche, sehr wahrscheinlich wieder von
hoher See. Grüße, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 49
Guppy, das U-Boot
Donnerstag, [28. Juli 2011], 11.15 Uhr
"Ich bin seit zwei Tagen wieder auf See und habe Kurs auf Vanuatu, eine
Inselgruppe, die zu Frankreich gehört, gesetzt. Ich habe noch etwa 300
Seemeilen [556 Kilometer] zu segeln, daher hoffe ich, am Samstag
ankommen. Es ist lange her, daß ich auf einer Überfahrt so viel Wind
hatte, und folglich segeln wir auch sehr schnell. Mit ein bisschen Glück
sollte es mir auch endlich einmal gelingen, tagsüber anzukommen. Das
wäre ganz schön nach meinen nächtlichen Ankünften auf Tonga und Fidschi.
Nicht, daß ich wieder um ein paar Riffe herumfahren müsste, sondern
einfach so. Es ist nicht schlecht, etwas sehen zu können, und nach dem
Einklarieren beim Zoll sofort an Land gehen zu können. Insgesamt war ich
nicht mal eine Woche auf Fidschi. Es war prima, an den Ort meiner
frühesten Jugend zurückzukehren. Ich bin auch für ein paar Tage auf dem
großen Segelschoner Alwei mitgesegelt, die in meiner Nähe vor Anker lag.
Eigentlich hatten wir vor, in der Nähe einer kleinen Insel Tauchen zu
gehen, aber unter Wasser merkte ich auf einmal, daß ich Ohrenschmerzen
bekam. Ich habe mich dann mit Schnorcheln begnügt. Während die Alwei mit
den Touristen weitersegelte, sollte ich mit einem kleinen Boot zur
Hauptinsel von Fidschi zurückfahren. Aber leider fuhr dieses Boot, auf
das ich mich verlassen hatte, an diesem Tag nicht. Ich saß fest. Nachdem
ich einen halben Tag herumgelaufen war - ich habe eine kleine Exkursion
gemacht - sah ich auf einmal ein Fischerboot, das kurz davor war,
abzulegen. Ich bin sofort hingestürmt und durfte mitfahren. Glücklich
kam ich abends wieder auf Guppy an. Am nächsten Tag habe ich sofort
abgelegt und nun sitze ich hier: zum ersten Mal seit meiner Abfahrt
sitze ich draußen und genieße die aufgehende Sonne. Der Nachteil von so
viel Wind ist nämlich, daß es auch viele Wellen gibt und Guppy sich
manchmal eher wie ein U-Boot anstatt wie ein Segelboot benimmt. Sie
schaukelt heftig rauf und runter, und Dinge wie lesen sind im Augenblick
unmöglich. Aber die wild bewegte See zu beobachten bleibt auf die ein
oder andere Weise immer faszinierend. Grüße, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 50
Ich vermisse die Niederlande überhaupt nicht
Donnerstag, [4. August 2011], 11.53 Uhr
"Ich bin nun genau ein Jahr weg aus den Niederlanden. Mir scheint es,
als sei ich schon länger auf meiner Reise. Inzwischen habe ich mich so
an das Leben auf See und das ziehen von der einen Insel zur anderen
gewöhnt. Ich habe die Niederlande noch nicht einen Tag lang vermisst -
insbesondere nicht Jeugdzorg [Jugendamt], die Kinderbescherming [Rat für
den Schutz der Kinder] und die vielen Regenböen. Aber es wäre natürlich
schön, wenn ich mich mal eben hinüberbeamen könnte, um bei meiner
Schwester, meinem Hund Spot, meinen Eltern oder Freunden sein zu können.
Ich bin diese Woche auf der Insel Vanuatu angekommen. Vorgestern war
ich auf einer Strandparty und hörte dort jemanden auf einer 12-saitigen
Gitarre spielen. Das klang so schön, daß ich unbedingt auch so eine
haben wollte. Am nächsten Tag habe ich eine solche Gitarre in einem
Laden gesehen; leider war sie sehr teuer. Wenn ich ausklariert hätte,
wäre es möglich gewesen, sie steuerfrei und damit ein gutes Stück
billiger zu bekommen. Oder ich hätte zum Zoll gehen und erklären müssen,
daß ich abreisen wolle. Dort wollte man mir jedoch nicht helfen mit
einem Ausklarierungsstempel, da ich ja noch nicht wirklich abfahren
würde. Auch der Laden wollte bei dem Trick, den ich mir ausgedacht
hatte, nicht mitmachen. Sie wollten mir die Gitarre zum vollen Preis
verkaufen und mir später die Differenz erstatten. Als ich gerade
enttäuscht abziehen wollte, überlegten sie es sich anders, und ich bekam
einen großen Preisnachlass. Weil sie es so lustig fanden, daß ich so
oft im Laden gewesen bin und sie auch gemerkt hatten, daß ich die
Gitarre wirklich gerne haben wollte. Inzwischen habe ich oft auf ihr
gespielt. An sich ist sie nicht schwieriger zu spielen als eine normale
Gitarre, aber es klingt viel schöner, da man alle Töne quasi doppelt
hört. Neben dem Gitarrespielen habe ich Guppy für die Abfahrt fertig
gemacht. Ich muß nur noch Diesel und Wasser nachtanken und plane, Anfang
nächster Woche in Richtung Darwin zu segeln. Die Überfahrt wird etwa
drei Wochen dauern. Ich sollte daher zeitig vor meinem Geburtstag [20.
September] ankommen. Grüße, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 51
Irgendwann kommt wieder Wind
Donnerstag, [11. August 2011], 13.24 Uhr
"So langsam werde ich verrückt. Seit meiner Abfahrt habe ich kaum Wind
gehabt. Es ist mittlerweile eine Frage von segeln, 'motoren', segeln,
'motoren' geworden, und ich bin ständig mit der Genua, dem Spinnaker,
dem Halfwinder und dem Großsegel (kurz: mit allen meinen Segeln)
beschäftigt. Auch jetzt weht der Wind mit nur drei Knoten [5,5 km/h],
was gerade zum segeln reicht. Wenn es sein muß, kann ich tausend
Seemeilen [1852 Kilometer] mit Motorkraft fahren, aber schließlich ist
Guppy kein Motorboot und ich muß darüber hinaus dreimal so weit
kommen... OK, einatmen... ausatmen... Immer positiv denken! Vorm Sank
Nimmerleinstag kommt bestimmt wieder Wind. Darüber hinaus hat das auch
seine Vorteile. Bei wenig Wind versagt oft die Windfahne, die als
Selbststeuerung fungiert, und ich müßte dann regelmäßig eingreifen. Aber
wenn ich mit Motorkraft fahre, kann ich den elektrischen Autopilot
benutzen. Das Fahren wird dann eine sehr entspannte Angelegenheit. Ich
muß dann nur wenig tun, mit Ausnahme vom kontrollieren unseres Kurses.
Ein weiterer Vorteil von wenig Wind ist, daß nur sehr wenig Dünung
steht. Das bedeutet, daß ich nachts ganz normal in meinem Bett schlafen
kann, ohne mich zwischen den Seitenwänden meiner Koje festklemmen zu
müssen. Auch kann ich tagsüber allerlei Dinge tun, die ich nicht tun
könnte wenn ich dauernd sowohl hin und her als auch auf und nieder
geschaukelt würde. Ich spiele jetzt oft Gitarre, sowohl auf meiner alten
vertrauten als auch auf meiner neuen 12-saitigen Gitarre. Auch kann ich
einige kleinere Wartungsarbeiten an Bord tun. So habe ich heute das
Ruder kräftig geschmiert um zu verhindern, daß es festläuft. Und abends
versuche ich, eine oder mehrere Folgen der Serie 'How I met your mom'
anzusehen. Die Tage fliegen vorbei. Oft vergesse ich, daß ich mitten auf
See bin. Und bis auf einen Fliegenden Fisch und zwei Möwen - übrigens,
danke Jungs, daß ihr mein Boot komplett vollgeschissen habt! - habe ich
seit tagen kein lebendes Wesen mehr gesehen. Bis nächste Woche! Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 52
Fliegende Fische
Donnerstag, [18. August 2011], 11.42 Uhr
"Aus den Augenwinkeln sehe ich wieder einen vorbeikommen: ein
Fliegender Fisch, der es nötig findet, auf mein Deck zu springen. Es
gibt Segler, die sie essen. Mit ein bisschen Zitronensaft sollen sie
ganz lecker schmecken. Aber mir nicht! Ich finde, sie sehen überhaupt
nicht essbar aus. Und meistens sind die Fische, die ich finde, so klein,
daß man doch nur auf Gräten herumkauen würde. Es sind noch zwanzig
Seemeilen [37 Kilometer] bis zum ersten Riff der Torres Straße. Die
Torres Straße ist eine berüchtigte Meerenge zwischen Australien und
Papa-Neuguinea, die den Pazifischen von Indischen Ozean trennt. Faktisch
ist es ein Ausläufer des berühmten Great Barrier Reefs. Riffe haben den
Nachteil, daß man sie nicht sieht, aber mit voller Wucht auf sie
auflaufen kann. Kurzum: ich werde zwei Tage lang aufpassen müssen und
währenddessen nicht schlafen können. Nicht allein wegen der Riffe,
sonder auch weil die Torres Straße ein stark frequentierter
Schifffahrtsweg ist und ich mit Gegenverkehr rechnen muß. Nach der
Torres Straße sind es noch ungefähr 650 Seemeilen [1204 Kilometer] bis
nach Darwin. Meine Überfahrt geht viel schneller als erwartet. Tagelang
habe ich um Wind gebettelt, und als der Wetterbericht endlich Wind
voraussagte, kam er trotzdem nicht. In einem bestimmten Moment dachte
ich, daß ich wahnsinnig werde. Aber dann kam zum Glück doch noch Wind.
Nun segelt Guppy schnell wie ein Speer, und ich habe ein Boot, das ein
paar Tage vor mir abgefahren ist, so gut wie eingeholt. Ziemlich
ärgerlich ist, daß ich auch mit dem Phänomen der Kreuzseen zu kämpfen
habe. Die Wellen sind hoch, kommen von überall her und schaukeln Guppy
in alle Richtungen. Zu viel mehr als Salzwasser zu trinken komme ich
dann auch nicht. Gestern drohte dann endlich eine schwere Regenbö. Die
Luft wurde immer schwärzer, aber die böse aussehenden Regenwolken zogen
genau um mich herum. Schade, denn nach zwei Wochen auf See sehne ich
mich so langsam nach einer Süßwasserdusche. Bis nächste Woche! Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 53
Land in Sicht
Mittwoch, [24. August 2011], 23.59 Uhr
"Hurra! Ich bin durch die Torres Straße hindurch. Meine Tour war ab und
zu ganz schön heftig mit kräftigen Rebenböen und hohen Wellen, von
denen man fast Höhenangst bekommen konnte. Auch das letzte Stück durch
den Golf von Diemen war hart. Es ist so als ob man übers Wattenmeer
fahren würde, jedoch ist es viel größer mit vielen Strömungen,
Sandbänken und einem Tidenhub von etwa sieben Metern, und keiner anderen
Möglichkeit, als hart am Wind zu segeln. Da die See dort sehr flach
ist, bekommt man darüber hinaus ständig enorm hohe, steile und salzige
Wellen ab. Aber ich hab's geschafft, allerdings nicht ohne Blessuren.
Ich fürchte, daß Guppy neue Segel braucht. Die Genua und das Großsegel
wurden in Fetzen gerissen, und die Sturmfok und der Besan halten auch
nicht mehr lange. Durch die ständige Tropensonne sind sie brüchig
geworden, und das Kräftespiel der salzigen Wellen und des Windes waren
offenbar zu viel für sie. Auch das Steuerrad fällt fast ab, und deswegen
muß ich mit Hilfe der [Not-] Ruderpinne steuern. Ich könnte noch viele
kleinere Schäden aufzählen, aber insgesamt geht es uns gut. Noch ein
paar Stunden und ich werde wieder an Land sein. Es ist schon ein paar
Mal ein Flugzeug des Zolls über mich hinweggeflogen. Das Merkwürdige
daran war, daß beim ersten Mal das Alarmsignal meines Radarsystems
losging, so als ob sich ein anderes Schiff auf Kollisionskurs befände.
Rings um mich herum war aber nichts zu sehen... aber dann kam über
UKW-Funk 'Sailing ketch, sailing ketch'. Schließlich sah ich das
Flugzeug und begriff, daß sie mich meinten. Sie wollten allerhand
Informationen von mir; unerkannt kommt man sicher nicht nach Australien
hinein. Ich hoffe übrigens, daß die Leute vom Zoll an Land nachher ein
bisschen umgänglich sind. Man hört von Seglern die unterschiedlichsten
Geschichten darüber. Bei dem einen stellten sie das ganze Boot auf den
Kopf, bei dem anderen packten sie nur ein paar Fleischkonserven ein oder
versiegelten den Proviant und sagten, daß er erst wieder bei der
Abfahrt geöffnet werden darf. Drückt mir die Daumen! Auf jeden Fall
werde ich heute erst mal ausschlafen, denn dazu hatte ich während der
letzten zwei Tage überhaupt keine Gelegenheit. Gut Nacht! Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 54
Schlaue Krokodile und tödliche Quallen
Darwin, Donnerstag [1. September 2011], 9.07 Uhr
"Endlich bin ich in 'Down Under'. Ich liege in der Fannie Bay in Darwin
vor Anker. Vom Strand aus muß man ziemlich gut hinschauen, um Guppy zu
finden. Sie liegt zwischen vielen Dutzend Schiffen, und auch ziemlich
weit weg vom Strand. Guppy hat nämlich einen Tiefgang von 1,90 Metern,
und durch den ganzen Krempel, den ich an Bord habe, kommen noch etwa 10
Zentimeter an Tiefgang hinzu. Der Tidenhub hier ist gewaltig. Bei Ebbe
entsteht ein Strand von einigen Dutzend Metern Breite. Wenn ich mit
meinem Dinghy zur Küste fahre, muß ich genau darauf achten, daß ich es
weit genug den Strand hinaufschleppe, ansonsten muß ich bei der nächsten
Flut hinterherschwimmen. Schwimmen zu gehen wäre hier jedoch keine so
ausgezeichnete Idee, denn überall stehen Schilder, die vor tödlichen
Quallen warnen. Dem Vernehmen nach passieren Unfälle nicht allzu häufig.
Dennoch - ich werde es nicht versuchen, denn dieselben Schilder warnen
auch vor Krokodilen. Von anderen Seglern habe ich schon oft Geschichten
darüber gehört, wie schlau diese Viecher sind. Daß sie sich daran
erinnern, wenn man dreimal an derselben Stelle jeweils zur selben
Tageszeit ins Wasser gesprungen ist. Auch sind sie dafür berüchtigt,
sich an den Hecks der Boote zu verstecken, da die meisten Segler dort
ins Wasser gehen. Na ja, zum Glück gibt es hier im Meer noch ein paar
angenehmere Tiere. Heute Nachmittag war ich auf Guppy und hörte Musik,
als zweimal eine große Schule Delfine vorbeigeschwommen kam. Sie
spielten und sprangen durch das Wasser. Es ist ziemlich lange her, daß
ich Delfine gesehen habe. Das letzte Mal war es auf Tahiti, und auch
dort lag ich in einer Bucht vor Anker. Das vorletzte Mal wird es auf dem
Weg nach Galápagos gewesen sein. Ich fühle mich hier rundum wohl, und
das ist auch gut so, denn ich werde noch ein Weilchen bleiben. In einer
Woche kommt mein Vater, der bis zu meinem Geburtstag bei mir bleiben
wird. Es ist schon eine zeitlang her, seit ich ihn zum letzten Mal
gesehen habe. Das wird ein schönes Wiedersehen werden, wenn ich mich
auch erst daran gewöhnen muß, ihn wieder ständig um mich herum zu haben.
Grüße, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 55
Guppy muß aus dem Wasser heraus
Darwin, Donnerstag, 8. September 2011, 10.05 Uhr
"David, der französische Eigentümer des Jachtclubs von Darwin, wirft
mir einen besorgten Blick zu. Er ist mitgekommen zu Guppy, um sich ihr
Ruder anzusehen, das mittlerweile bombenfest sitzt. Nur wenn ich mich
mit meinem ganzen Gewicht dranhänge, läßt es sich noch bewegen. Ölen
hilft nur ein klein wenig. Darüber hinaus ist das Steuerrad abmontiert,
der Auspuff des Yanmar Motors ist kaputt, und es muß eine neue
Antifouling Beschichtung, die den Bewuchs durch Algen und Schnecken
verhindern soll, auf Guppys Unterwasserschiff aufgebracht werden. Auch
beide Motoren benötigen eine große Inspektion. Es war eigentlich nicht
zu vermeiden, daß jetzt so viel auf einmal kaputtgegangen ist. Die See,
die Sonne und das Salz fordern ihren Tribut, insbesondere wenn man mit
einem Boot so viel segelt wie ich. Um das alles zu reparieren, muß Guppy
für ein paar Tage aus dem Wasser heraus. Es gibt hier zwei
Schiffswerften, wo das möglich ist, und beide sind gleich teuer. In
jedem Fall wird das ein großes Loch in mein Budget reißen. Zum Glück ist
mein Vater mittlerweile hier, und er kann wirklich alles machen, was
seine Hände [sic!] sehen. Ich selbst bin auch nicht super ungeschickt:
seit dem Beginn meiner Reise haben sich meine technischen Fertigkeiten
sehr verbessert. Während Guppy auf dem Trockenen liegt, können wir
wahrscheinlich auch weiterhin auf ihr schlafen. Es ist prima, daß ich
mein Zuhause nachts nicht allein lassen muß. Allerdings werden wir uns
an Einiges gewöhnen müssen. Es wird sehr warm werden, und logischerweise
werden wir die Toilette nicht benutzen können. Kurzum - wir werden uns
dahinterklemmen und das ganze innerhalb einiger Wochen hoffentlich zu
einem guten Ende bringen, sodaß ich vor dem Beginn der Sturmsaison
wieder sicher weitersegeln kann. Es sollte auch ganz schön sein, wenn
wir zwischendurch ein paar Stunden Freizeit hätten. Ich habe meinen
Vater so lange nicht gesehen, und wir haben so viel zu bereden. Bis
nächste Woche, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Algemeen Dagblad
Samstag, 10. September 2011
Seite 1: Zeilmeisje ist auf halbem Wege. Laura Dekker fühlt sich wie neu geboren
'Mein Zuhause fühlte sich an wie ein Gefängnis mit offenen Türen'
DARWIN - Seglerin Laura Dekker ist fast 16 und hat bereits die Hälfte
ihres Versuchs, als jüngster Mensch die Welt zu umsegeln, hinter sich
gebracht. In Darwin spricht sie über das Erwachsenwerden, über ihre
Loslösung von den Niederlanden und über ihre Eltern. 'Es gibt nichts
mehr zwischen den Niederlanden und mir. Ich kann dort nicht das finden,
was ich brauche. Eigentlich weiß ich noch nicht genau was ich will. Die
Welt ist für mich noch immer offen.'
Es ist wieder einer dieser
endlosen warmen, windstillen Wintertage in Darwin. Laura,
sonnengebräunt und mit Narben an ihren Beinen - Erinnerungen an harte
Tage auf See -, genießt die azurblaue See, die ihr Boot auf und nieder
schaukeln läßt.
Plötzlich hält sie inne. 'Pst!... Ich höre sie
atmen.' Ein paar Sekunden später springt sie auf. 'Sieh mal, da sind
Delphine!' Sie zeigt auf die Schule von sechs spielenden Meeressäugern,
die an Guppy vorbeischwimmt. 'Es ist eine Weile her, seitdem ich zum
letzten Mal Delphine gesehen habe.'
Ihre letzte Überfahrt
war nicht einfach, und auch die folgende Etappe zu den Cocos Keeling
Inseln wird wahrscheinlich hart werden. Aber jetzt wird die Seglerin
zunächst für einige Wochen an ihrem Boot arbeiten, ihren Geburtstag
feiern und sich ausruhen. Sie hat ihr Zeitgefühl vollkommen verloren.
Ihr Vater half ihr, sich daran zu erinnern, daß sie bereits seit einem
Jahr unterwegs ist. Es ist an der Zeit, eine Bilanz zu ziehen.
Du bist auf halbem Wege Deiner Reise angekommen, und es liegen noch
weitere neun Monate vor Dir. Hast Du nie erwogen, nonstop zu segeln?
"Dann hätte ich eine Menge schöner Orte verpasst. Davon abgesehen wäre
es unmöglich gewesen. Im Augenblick ist Guppy in ihre Einzelteile
zerlegt: das Steuerrad ist abmontiert, ihre Segel sind zerrissen und das
Ruder ist blockiert. Und daneben gibt es noch etwa tausend andere
Gründe, um sie aus dem Wasser zu heben.
Das ist aber nicht
besorgniserregend. Durch den ständigen Verschleiß durch den Wind, die
Sonne und den Seegang ist eigentlich jedes Boot nach einer
Weltumsegelung mehr oder weniger ein Wrack. Zum Glück bin ich nicht
total ungeschickt, und mein Vater, der alles [reparieren] kann, ist im
Augenblick bei mir. Ich hoffe, daß ich nach meinem Geburtstag [20.
September] weitersegeln kann."
Musst Du dann weiter?
"Die Regenzeit wird dann anfangen, und davon abgesehen, habe ich von
jedem Ort, den ich besuche, nach einiger Zeit genug. Das passiert mir
bei diesen wunderschönen Bounty-Inseln viel schneller als bei einer
großen Stadt wie Darwin.
Weil es gibt dort nichts außer Palmen,
weißen Stränden und netten Menschen. Mit den einheimischen Jugendlichen
dort habe ich kaum Kontakt gehabt, da sie in einer völlig anderen Welt
leben. Sie verstehen den Sinn meiner Reise nicht, warum ich ein Boot
gekauft habe, und warum ich von meinen Eltern weggegangen bin. In Darwin
habe ich schnell Freundschaften mit ein paar Gleichaltrigen, die auf
meiner Wellenlänge liegen, geschlossen."
Lebst Du ihren ultimativen Traum?
"Zuerst würden sie gerne ihr Leben mit meinem tauschen. Ich tue das,
was sie gern tun würden: von den Eltern weg zu sein, tun und lassen
können, was man will, und eine Party nach der anderen feiern.
Aber
sehr bald erkennen sie, daß die Wirklichkeit ganz anders aussieht.
Segeln bedeutet harte Arbeit, und an Land gibt es auch genug zu tun.
Wenn man genau darüber nachdenkt, gibt es keinen Grund, mit mir tauschen
zu wollen. Aber sie finden mich cool, denn ich kann und darf das tun."
Was ist denn dann der Grund für Dich, diese Reise zu machen?
"Ich habe einige Jahre damit verbracht, diese Reise vorzubereiten. Ich
werde angetrieben von der Lust auf Abenteuer und davon, meinen Horizont
zu erweitern. Segeln ist meistens todlangweilig. Loszusegeln ist zwar
ganz schön, aber schon am zweiten Tag denke ich 'Fuck, was mache ich
hier eigentlich?'
Der Wind weht meistens aus der falschen Richtung,
oder man muß zwischen Riffen hindurchsegeln, oder man wird von der
Dünung hin und hergeworfen.
Daran zu denken, was ich alles
durchgemacht habe um hierher zu gelangen, hilft mir dann sehr.
Anzukommen ist auch immer wunderbar, auch wenn es stürmt oder regnet,
denn dann fühlt man den 'Kick', wieder ein paar tausend Meilen ganz
alleine gesegelt zu sein. Es ist aufregend, lange Strecken zu segeln,
und seine Grenzen auszutesten. Aber ich fordere keine Gefahren heraus
nur für einen Adrenalinkick."
Hängt das auch damit zusammen, daß Du gerne unabhängig und selbstständig sein willst?
"Ja, Guppy ist mein Zuhause, und alleine zu leben ist großartig. Ich
wurde sehr selbstständig erzogen, aber für mich fühlte sich mein Zuhause
wie ein Gefängnis mit offenen Türen an. Es gab immer jemanden, der mir
über die Schulter blickte.
Keine Eltern um mich herum zu haben und
für mich selbst verantwortlich zu sein, ist wunderbar. Manchmal, wenn
sie oder Freunde zu Besuch kommen, könnte ich fast verrückt werden. Es
ist schön, sie zu sehen, aber über Skype und e-Mails kommen sie mir nahe
genug."
Warum?
"Jedes Mal, wenn sie mich
besuchen, stören sie meinen Rhythmus. Es ist nicht leicht, ihn danach
wiederzufinden. Darüber hinaus kommen sie alle zur selben Zeit und zu
Orten, die leicht zu erreichen sind. Sie wollen dann meine
Aufmerksamkeit und sind an das Leben an Bord nicht gewöhnt..."
Jetzt ist Dein Vater hier bei Dir...
"Mit meinem Vater ist es am schwierigsten. Wenn er zu Besuch kommt,
erledigen wir gewöhnlich all die nötigen Arbeiten an Guppy, und dann
haben wir nicht viel Zeit, um zu reden. Er ist ein Perfektionist - das
macht mich ganz irre.
Wenn ich Reparaturen ausführe, mache ich das
meistens provisorisch, und damit ist er nicht einverstanden. Wir
diskutieren oft stundenlang, und zum Schluß sagt er dann, daß ich ihm
nicht zuhöre. Je weiter ich mich von den Niederlanden entferne, desto
mehr leben wir uns auseinander. Einerseits gefällt mir das, da ich
meinen eigenen Weg finden muß. Papa tut wirklich sein Äußerstes, um mich
loszulassen, aber es bleibt eine sehr schwierige Angelegenheit. Und
wenn er mich wieder verläßt, vermisse ich ihn natürlich."
Hast Du manchmal seelische Tiefs?
"Während der Überquerung des Atlantiks habe ich einen schweren Sturm
mitgemacht. Rückschläge wie diese bringen mich zum weinen, und erst dann
realisiert man, wie weit man wirklich vom Land entfernt ist.
Die
Überfahrt nach Tonga war auch scheiße. Während der ersten Woche war ich
krank und wegen einer Windstille bin ich kaum voran gekommen. Danach
wehte der Wind aus der falschen Richtung und ich hatte sieben Meter hohe
Wellen... Da bekam ich dann plötzlich Höhenangst. Aber am nächsten Tag
war alles wieder in Ordnung, und ich bin nie total in Panik geraten."
Hattest Du niemals ernsthaft daran gedacht, aufzugeben?
"Natürlich! Aber das dauerte immer nur einen Augenblick. Besonders am
Anfang meiner Reise. Ein paar Wochen bevor ich in Darwin ankam und nah
an Neuseeland vorbeisegelte, habe ich in Erwägung gezogen, abzubrechen
und dorthin zu gehen. Es war immer mein Ziel, meinen Geburtsort
Whangharei zu besuchen. Da aber die Kinderbescherming
[Jugendschutzbehörde] meine Reise verzögert hatte, konnte ich das nicht
tun. Ich war sehr wütend...
Alle schlimmen Erinnerungen kamen
wieder hoch. Aber darüber zu schreiben und zu reden half mir sehr, und
ich werde Neuseeland noch immer irgendwann einmal besuchen können."
Würdest Du deine Reise wirklich abbrechen?
"Ich würde Guppy niemals im Stich lassen. Es ist mir egal, ob ich mit
meiner Reise in die Geschichtsbücher eingehen werde. Ich möchte das ganz
allein für mich machen, und ich würde es mir nie verzeihen, wenn ich
aufgeben würde."
Ist das Segeln die ganze Zeit über schrecklich?
"Die Überfahrt zu den Galápagosinseln war fantastisch. Ich hatte den
Wind immer schräg von achtern bei sehr schönem Wetter. Wenn man sich
abends einen Sonnenuntergang ansieht, ist man überglücklich. Es ist eine
art Hassliebe. Einerseits liebe ich die See, andererseits fürchte ich
sie, denn sie kann dich mit einem Schlag verschlingen."
Hat Dich deine Reise verändert?
"Ich habe mich völlig verändert. Jetzt weiß ich ganz genau was ich kann
und wo meine Grenzen liegen. Ich bin auch flexibler geworden. Direkt
nach meiner Abreise kannte ich mein Boot noch nicht so gut. Bei
Windstärke 5 zum Beispiel wußte ich nicht, of ich das Großsegel reffen
mußte oder nicht. Nun kann ich Guppy fast blind segeln.
Wenn mich
Leute vor meiner Abreise gefragt haben, ob ich diese Reise bewältigen
könne, habe ich immer mit 'Ja, natürlich!' geantwortet. Tatsächlich habe
ich mir diese Frage aber auch gestellt. Die Kap Verdischen Inseln
erschienen mir damals so weit weg von Zuhause. Und nun bin ich hier, und
ich weiß, daß ich es kann."
Wurden Deine Erwartungen übertroffen?
"Ja, obwohl meine Reise nicht so verlief, wie ich sie geplant hatte.
Ich wollte keine Publizität, und natürlich gehen Dinge von Zeit zu Zeit
kaputt. Jedoch hätte es meiner Meinung nach nicht besser laufen können,
und es läuft besser als erwartet."
Du haderst noch immer mit den Medien... ist das nur schrecklich für Dich?
"Es hat natürlich auch Vorteile. Finanziell bin ich nun weniger
abhängig. Es gibt Leute, die meine Reise verfolgen und mir Geld spenden,
es gab zum Beispiel einen Niederländer, der extra von Melbourne - 4000
Kilometer entfernt - hierher kam, um mir 100 Dollar zu schenken.
Der größte Nachteil ist und bleibt meine Bekanntheit. Es ist zwar schön, wenn die Bewohner einer Insel spontan...
[Satz unvollständig]
...sie tun das nur wegen mir. Überall - auch hier - heißt es immer 'Laura, Laura, kann ich...?'
Manchmal wird mir das zu viel. Zum Beispiel als ich nach 38 Stunden
ohne zu schlafen in Panama von Kamerateams belagert wurde. Diese Leute
kannten nicht einmal meinen Namen."
In Australien wird Dir
weniger Beachtung geschenkt. Wird es eine Einladung, Dein Australisches
Pendant Jessica Watson zu treffen, geben?
"Sie war in Darwin
und hat einen Vortrag gehalten. Leider war ich zu dieser Zeit noch nicht
dort, und ich habe seitdem nichts von ihr gehört. Es wäre großartig,
Erfahrungen mit ihr auszutauschen, obwohl ihre Reise ganz anders war als
meine, und ich schon mit den Vorbereitungen zu meiner Reise beschäftigt
war, bevor Jessica bekannt wurde.
Ich habe eine nette Reaktion von
Abby Sunderland erhalten. Sie hat, ebenso wie ihr Bruder Zac, versucht,
die Welt nonstop zu umsegeln, musste jedoch aufgeben. Sie hat mir
Erfolg gewünscht und fand es total cool, daß ich ungeschoren durch die
Torres Straße gekommen bin [Satz unvollständig]."
Anderes Thema. Du hast etwas von Schule gesagt...
"Nachdem ich einige Monate ernsthaft daran gearbeitet hatte, habe ich
meine Schularbeiten auf Sparflamme gesetzt. Auf See kann ich damit nicht
weitermachen, und meine Aufenthalte in den Häfen werden immer kürzer.
Ich werde mich jetzt auf meine Reise konzentrieren und danach mit dem 5.
[letzten] HAVO Schuljahr weitermachen." Anmerkung: Die HAVO (Hoger
algemeen voortgezet onderwijs) ist eine Schule, die zwischen der
Realschule und dem Gymnasium angesiedelt ist. Der Abschluß ist in etwa
mit dem Fachabitur zu vergleichen.
Wo möchtest Du das tun?
"Ich erwarte, meine Reise im nächsten Frühjahr zu beenden. Dann kann
ich zurück in die Niederlande gehen und wieder in Den Osse [Zierikzee]
zur Schule gehen, und daneben meinem Vater beim Bau seines Bootes
helfen. Ein anderer Plan ist, danach nach Neuseeland zu gehen."
Wird das Dein Abschied von den Niederlanden sein?
"Ich habe keine Verbindung mehr zu den Niederlanden. Es ist nicht nur
wegen der schlechten Erfahrungen, die ich [2009/2010] gemacht habe. Als
ich im März zurück in den Niederlanden war, um an der HISWA
[Wassersportmesse in Amsterdam] teilzunehmen, habe ich mich dort nicht
mehr zuhause gefühlt. Niederländer haben eine andere Kultur und eine
andere Lebensweise. Ich kann dort nicht das finden, was ich brauche. Ich
weiß aber noch nicht genau, was ich will. Die Welt ist für mich noch
immer offen.
Suzanne Docter
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 56
'Kauf Dir ein Boot und arbeit' Dich tot'
Darwin, Mittwoch, 14. September 2011, 5.01 Uhr
"Ich trug schwer an dem Gedanken, Guppy aus dem Wasser herauszuholen.
Sie herausheben zu lassen hätte ein großes Loch in mein Budget gerissen,
aber schließlich habe ich mir eine andere Lösung überlegt. Wir haben
sie früh morgens ganz simpel auf den Strand gesetzt und fest an zwei
Pfählen vertäut. Wir haben sie bei Hochwasser näher zum Strand gefahren
und dort trockenfallen lassen. Dann haben wir hart gearbeitet, um den
Bewuchs aus Algen und Muscheln von Guppys Unterwasserschiff zu
entfernen. In tropischen Gewässern vermehrt sich der Bewuchs sehr
schnell, und auch die Antifouling Beschichtung, die das Boot eigentlich
davor schützen sollte, verlor langsam ihre Wirkung. Kurzum: ich hätte
das Zeug abschaben können, bis ich schwarz geworden wäre... Darum haben
wir eine neue Antifouling Beschichtung aufgetragen. Mitten in der Nacht
waren wir damit fertig. Da wir auf die nächste Flut warten mußten, um
sie wieder zum Ankerplatz verholen zu können, haben wir auf Guppy
geschlafen, während sie auf dem Trockenen stand. Das war total seltsam.
Ich bin es gewöhnt, daß sie nachts hin und her tänzelt und mich in den
Schlaf wiegt. Nun passierte überhaupt nichts. Zum Glück liegt Guppy
mittlerweile wieder zwischen den anderen Booten, und ich bin mit meinem
Vater mit einer Menge anderer Arbeiten beschäftigt. Zum Beispiel ist das
Steuerrad, das zu viel Spiel hatte, wieder in Ordnung, und auch der
Auspuff des Hilfsmotors ist repariert. Davon abgesehen brauchen beide
Motoren eine große Inspektion, womit wir im Moment beschäftigt sind.
Daneben habe ich mein Boot gründlich gereinigt, großzügig für meine
nächste, lange Überfahrt eingekauft um meine leere Vorratskammer zu
füllen, ich habe Diesel nachgetankt, und meine alten Segel sind zurück
vom Segelmacher. Aber trotzdem liegt noch immer ein Berg Arbeit vor uns.
Ganz im Ernst: kauf Dir ein Boot und arbeit' Dich tot. Drückt mir die
Daumen, daß wir alles bis zu meiner Abreise auf die Reihe bekommen.
Grüße, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Laura
Dekker (16) will mit ihrem Segelboot 'Guppy' als jüngster Mensch die
Welt umsegeln. In ihrem Logbuch berichtet das 'Zeilmeisje'
[Segelmädchen] jede Woche über ihre Erlebnisse.
Die See ruft mit jeder Stunde ein wenig lauter
Darwin, 22. September 2011, 11.01 Uhr
"Es war eine menge Arbeit, sie aufzuhängen, aber letztendlich boten sie
einen großartigen Anblick: die mit Ballons geschmückten Masten von
Guppy. Eigentlich hatte ich überhaupt nicht geplant, meinen sechzehnten
Geburtstag zu feiern. Geburtstage sind für mich genau wie alle anderen
Tage des Jahres. Aber schließlich wurde es doch ein ganz besonderer Tag.
Ich hatte vorher schon ein paar Geschenke bekommen und erwartete
eigentlich nichts mehr, wurde aber dann plötzlich mit Blumen, einer
großen Torte und einem Ballon in der Form eines Piratenschiffes
überrascht. Abends bin ich mit meinem Vater und ein paar Freunden, die
ich hier kennengelernt hatte, essen gegangen. Danach haben wir am Strand
ein paar Wunderkerzen angezündet. Den ganzen Tag über bekam ich Anrufe
von singenden Menschen, zum Beispiel von meiner Schwester und von Oma
und Opa. Sogar mein Hund Spot kam noch bellend ans Telefon. Es ist ein
komischer Gedanke, auf einmal sechzehn zu sein. Hier in Darwin könnte
ich jetzt anfangen, meinen Führerschein zu machen. Da hier alle mit
Automatik fahren, scheint man ihn recht schnell machen zu können. Jedoch
habe ich dafür keine Zeit mehr, denn in ein paar Tagen werde ich
nämlich von hier abreisen. Alle Arbeiten, die an Guppy getan werden
mußten, habe ich erledigt, und nun bin ich mit den normalen
Vorbereitungen, beispielsweise Diesel und Wasser zu holen und Vorräte
für meine nächste Überfahrt einzukaufen, beschäftigt. Diese wird mich zu
meinem nächsten Reiseziel, das ich aus Gründen meiner eigenen
Sicherheit noch geheim halten werde, bringen. Die einzige Frage, die
sich mir noch stellt, ist, welcher Tag der Beste für meine Abreise sein
wird. In diesem Gebiet hat man es sehr oft mit Windstillen zu tun, und
ich habe wirklich keine Lust darauf, tagelang auf See hin und her zu
schaukeln und nicht segeln zu können. Ich muß mich daher noch ein
bisschen gedulden. Die Wochen an Land und der Besuch meines Vaters waren
fantastisch. Aber die See ruft, und mit jeder Stunde ein wenig lauter.
Ich komme! Grüße, Laura"
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 58
Auf See ist es manchmal ziemlich öde
Bei Ost-Timor, Mittwoch, 31 September 2011 12:44
Seufz... Ich langweile mich. Manchmal ist es ziemlich öde, allein um
die Welt zu segeln. Ich bin vor drei Tagen aus Darwin abgefahren, und
hatte beim Auslaufen noch etwas Wind. Leider kam dieser genau aus der
falschen Richtung, weshalb ich nicht viel davon hatte. Nun hat der Wind
völlig aufgegeben. Würde ich nicht mit Motorkraft fahren, so würde ich
wahrscheinlich langsam aber sicher nach Australien zurücktreiben.
Ansonsten gibt es hier im Augenblick nicht viel zu erleben. Während der
letzten Tage habe ich ein paar Frachtschiffe und einige Segelboote
gesehen... und sonst nichts! Das SSB Funkgerät, das ich benutze, um mit
anderen Schiffen zu sprechen, kracht im Augenblick wie verrückt, und es
gelingt mir nicht, ein halbwegs vernünftiges Gespräch zu führen. Na ja,
ich sehe schon, es macht keinen Sinn, Euch länger damit zu langweilen.
Es hat nämlich auch Vorteile, daß es im Augenblick so ruhig ist. Es
steht fast keine Dünung, und daher kann ich nachts prima schlafen ohne
fürchten zu müssen, aus meinem Bett herausgeworfen zu werden. Ich kann
in aller Ruhe frühstücken und sogar Brote mit Hagelslag [Brotaufstrich
aus granulierter Schokolade] essen, ohne daß alles durch die Kabine
fliegt. Oder ein Buch lesen ohne daß die Buchstaben vor meiner Nase
herumtanzen und ich immer wieder die richtige Zeile suchen muß. Und -
last but not least - kann ich mich auf meine Lieblingsbeschäftigung
konzentrieren: saubermachen! Gestern habe ich meinen Kühlschrank
ausgemistet. Ich habe nicht genug Strom, um den Kühlschrank die ganze
Zeit über laufen zu lassen, und die wenige Energie, die während des
Segelns zur Verfügung steht, verwende ich lieber für das Radar und das
GPS. Tja, und manchmal vergesse ich eben, daß noch ein paar Sachen im
Kühlschrank liegen. Zum Beispiel die Gurke, die schließlich mehr wie ein
Pferdeapfel aussah. Dieses Mal war es eine Packung mit
Schinkenscheiben, die schon kräftig zu stinken anfing. Bäh... Aber jetzt
riecht der Kühlschrank wieder frisch und fruchtig, und ich habe wieder
Zeit, mich angenehmeren Tätigkeiten zu widmen, zum Beispiel zu lesen
oder Gitarre zu spielen, die Wellen zu beobachten oder um ein bisschen
Wind zu betteln. Aber mich beschleicht eine dunkle Ahnung, daß ich
darauf noch eine Woche warten muß! Grüße, Laura
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 59
Ich gewöhne mich an das schaukeln
In der Nähe der Weihnachtsinsel
Donnerstag, 6. Oktober 2011, 11.46 Uhr
Ich segle schnell wie ein Speer. Noch nie zuvor hatte ich einen solch
großartigen Wind. Wir fliegen über die Wellen und obendrein geht es auch
noch in die richtige Richtung. Auch mit der Dünung habe ich kaum
Probleme. Guppy tanzt kaum auf und ab, was das Leben an Bord sehr bequem
macht. Ich brauche mich nicht dauernd nach den meinen Pfannen und
Schuhen zu bücken, die irgendwo in der Kabine herumfliegen, wenn Guppy
sich von der einen auf die andere Seite legt... Yes, right! Träum'
weiter, Laura. Mit dem Wind war und ist es ein Trauerspiel, und so wird
das auch bleiben. Am Tag bin ich dauernd damit beschäftigt, so viel wie
möglich von dem schwach wehenden Wind mit meinen Segeln einzufangen. Und
jedes Mal, wenn ich schlafen will, scheint der Wind zu denken: 'Weißt
Du was? Ich warte bis sie schläft, und dann höre ich auf zu wehen'. Mit
dem Ergebnis, daß ich tatsächlich sofort wieder von den Geräuschen der
wie verrückt hin und her schlagenden Segel geweckt werde. Dann steige
ich aus meinem Bett und nehme wieder den Kampf mit den Segeln auf. Darum
bin ich in den letzten Nächten kaum zum schlafen gekommen, aber zum
Glück habe ich am Tag die ein oder andere Stunde Schlaf nachholen
können. Na ja, es ist hier nicht alles so furchtbar schlimm. Ich segle
zwar nicht schnell, aber ich komme immerhin voran. Und es ist schön, von
anderen Seglern über SSB Funk zu hören, daß sie mit mir im selben Boot
sitzen. So langsam gewöhne ich mich daran, von den steilen Wellen, die
aus allen Richtungen kommen, hin und hergeschaukelt zu werden. Selbst
das Lesen klappt immer besser, und ich finde immer mehr Spaß daran. Ich
lese von allem etwas: von Stieg Larsson Thrillern über Niederländische
Klassiker (für die Schule... ja, ja, ich habe das nicht ganz aufgegeben)
bis hin zu Segelbüchern. Zum Glück wurden mir in den vergangenen
Monaten von anderen Seglern eine Menge Bücher geschenkt, und ich habe
noch immer einen kleinen Vorrat. Und danach fange ich wieder von vorne
an... Ich kann leider immer noch nicht verraten, wohin es geht, eines
aber ist ganz sicher: ich werde noch ein Weilchen auf See sein! Grüße,
Laura
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 60
Die Sterne genießen
- ohne Ortsangabe -
Donnerstag, [13. Oktober 2011] 11.22 Uhr
Da ich letzte Nacht nicht viel Schlaf bekommen habe, lege ich mich noch
für einen Moment aufs Sofa und sehe mir die Bilder an, die ich an den
Wänden des Cockpits [offensichtlich meint Laura die Wände der Kabine]
aufgehängt habe: von meinem Optimist über die Contender bis hin zu
meiner ersten 'Guppy' (die Hurley 700) - all die Boote, mit denen ich
die kleinen Segelreviere in den Niederlanden besegelt habe. Während ich
die Fotos betrachte, zieht mein Leben an mir vorbei. Unglaublich, wie
wenig Ahnung ich damals noch vom Segeln hatte. Ich frage mich, wo meine
Mirror [kleines Segelboot] jetzt sein mag. Ich vermisse sie. Sie hat
mich gelehrt, was Freiheit bedeutet. Mit ihr konnte ich den Menschen
entfliehen. Wie war ich damals noch klein. Und dann kam die Hurley 700,
meine erste 'Guppy'. Das Foto von ihr ist während eines Wettstreits in
Culemborg [etwa 50 km südöstlich von Amsterdam] entstanden. Ich habe
gewonnen, aber es war einer der letzten Wettbewerbe, an denen ich
teilgenommen habe. Ich wollte weiter, weg von den Segelrevieren und hin
zur offenen See und zur Freiheit. Nun habe ich genau das, was ich damals
wollte. Warum sollte ich mich beklagen wenn ab und zu Windstille
herrscht und meine Segel zu schlagen anfangen, oder wenn ich mal wieder
schwer mit dem Spinnakerbaum zu kämpfen habe. Auf einmal bin ich
vollkommen mit dem zufrieden, was ich habe - und ich habe wirklich
alles, was ich will: Freiheit, Ruhe und die endlose Weite. Nachdem ich
einige Zeit in meinem Buch von Stig Larsson gelesen hatte - ja, ich lese
die Millennium Trilogie noch einmal -, fängt es wieder langsam an zu
dämmern. Wisst ihr, worauf ich jetzt richtig Lust habe?! Auf
Pfannkuchen, Pizza und auf einen Film. Hm, tja, aus Pfannkuchen und
Pizza wird wohl nichts werden, aber das mit dem Film wird klappen.
Nachdem ich mich auf dem Sofa auf der niedrigen Seite des Bootes
niedergelassen habe, starte ich meinen Laptop und gucke den Film
‘Trainspotting‘. Als er zu Ende ist, ist es draußen schon dunkel. Das
Boot liegt schön ruhig, und ich brauche einige Zeit, bevor es mir bewußt
wird, daß ich irgendwo mitten auf dem Ozean treibe! Ich mache mir etwas
zu Essen und genieße danach im Cockpit die Sterne und den Mond, der
über dem Wasser scheint. Es ist wunderschön; draußen ist es durch das
Mondlicht fast hell. Grüße, Laura
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 61
Schreiben ist ein wichtiger Zeitvertreib
- ohne Ortsangabe -
Donnerstag, [20. Oktober 2011] 13.40 Uhr
Ich bin schon wieder eine ganze Weile unterwegs, aber noch immer kann
ich meine genaue Position nicht verraten, und auch nicht, wohin ich
segle. Jede Erwähnung eines Sturms, der Windrichtung oder einer Regenbö
könnte verraten wo ich bin. Es ist wirklich sehr wichtig, daß das geheim
bleibt. Natürlich denke ich nicht den ganzen Tag lang an Piraten, die
kommen und mich entführen könnten, aber die Methode 'better safe than
sorry' [etwa ‘Vorsicht ist besser als Nachsicht‘] ist mir lieber. Jeden
Tag schreibe ich auf was passiert, jedoch wird dies erst in ein paar
Wochen auf meiner Internetseite veröffentlicht werden. Auch bin ich
intensiv mit meinem Buch, das nach meiner Reise erscheinen wird,
beschäftigt. Ich hätte mir nie träumen lassen, daß ich einmal ein
eigenes Buch schreiben werde, und nun habe ich schon einhunderttausend
Wörter, was gut zweihundert Seiten entspricht, geschrieben. Schreiben
ist für mich nicht nur eine schöne Sache sondern auch ein wichtiger
Zeitvertreib. Auch hilft es mir an Tagen, an denen es nicht so gut
läuft, und es ist schön, nachlesen zu können, was ich früher geschrieben
habe. An Land passiert immer so viel, daß ich es schnell wieder
vergesse. Und während meiner Etappen auf See habe ich stets den
Eindruck, daß alle Tage immer genau gleich ablaufen. Aber wenn ich dann
nachlese, was ich darüber geschrieben habe, fällt es mir leichter. Ich
erlebe zwar viel, aber im Augenblick finde ich das nicht besonders
interessant. Was soll ich denn über den heutigen Tag aufschreiben? Ja,
ich war superglücklich, daß sich die Sonne nach anderthalb Wochen
endlich mal wieder gezeigt hat. Ich brauche sie dringend, um meine Akkus
wieder aufzuladen. Weiter kann ich berichten, daß ich ein Brot gebacken
habe. Zwar habe ich ziemlich viel Brot eingekauft und es in der Sonne
hart werden lassen, um es für lange Zeit haltbar zu machen, aber
frisches Brot ist doch mal wieder lecker. Ich bin zwar keine begeisterte
Hobbyköchin, trotzdem habe ich ständig mehr Spaß am Kochen und am
Backen. Zudem das Backen eines Brotes wieder einige Zeit in Anspruch
nimmt, und der Tag dadurch ein besonderes Ziel bekommt. Na gut, ich habe
heute vielleicht nicht wirklich viel erlebt. Ich schaukele und schreibe
weiter - in Richtung sicherer Gewässer! Grüße, Laura
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 62
Von neuen Ländern träumen
- ohne Ortsangabe -
Donnerstag, 27. Oktober 2011, 14.10 Uhr
Vor ein paar Tagen erhielt ich eine überraschende Nachricht. Ich bin
mit im Rennen um den Conny van Rietschoten Preis, den
prestigeträchtigsten Preis, den ein Niederländischer Segler gewinnen
kann. Er ist nach einem Segler benannt, der zweimal das Whitbread Race,
das härteste Segelrennen der Welt, für sich entschieden hat. Das Rennen
wird noch immer veranstaltet, heißt mittlerweile aber Volvo Ocean Race.
Ich bin in der Kategorie Seesegeln nominiert, zusammen mit Lucas
Schröder und Wouter Verbraak, zwei Männern, die schon einiges geleistet
haben und bereits an diversen Hochseerennen teilgenommen haben. Wie
sollte ich neben ihnen bestehen können? Nun gut, es ist in jedem Fall
eine besondere Ehre, von der Jury nominiert worden zu sein, und ich
warte mit Spannung auf die Preisverleihung am 17. November. Während ich
über meine Nominierung nachdenke, wandern meine Gedanken ganz von selbst
zurück zu meiner Reise während der vergangenen Monate und zu allen
Orten, die ich bis jetzt besucht habe. Auch denke ich zurück an die
Zeit, als ich acht Jahre alt war... Ich habe damals schon von den großen
Ozeanen und den unbewohnten Inseln geträumt, die ich mit meinem
Segelboot entdecken würde. Als Kind war ich immer auf der Suche nach
Abenteuern. Ich streunte stundenlang durch Maisfelder und lieferte mir
mit meinen Freunden Schwertgefechte mit Stöcken. Und wenn es irgend
möglich war, war ich mit meinem kleinen Segelboot auf dem Wasser zu
finden. Egal ob das Wetter schön oder schlecht war, immer zog es mich
zum Wasser. Ich fühlte mich am wohlsten, wenn die dunklen Wolken über
den Himmel fegten und das Wasser um mein Boot herum hochspritzte. Dann
träumte ich, daß ich auf hoher See sei, auf dem Weg zu einem unbekannten
Land, und daß ich dort viele interessante Menschen kennenlernen würde.
Im Augenblick bin ich etwas weniger glücklich über die Wellen, die mir
um die Ohren fliegen. Aber noch immer heitert mich der Gedanke an die
neue Länder, die ich bald besuchen und die Menschen, die ich dort
kennenlernen werde, auf. Auch wenn meine Reise etwas anders verläuft,
als ich sie mir mit acht Jahren vorgestellt habe, und nicht immer alles
so einfach ist, genieße ich doch jeden Augenblick. Diese Art zu leben
ist wunderschön. Grüße, Laura
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje Laura Dekker
Woche 63
Eine segelnde Achterbahn
- ohne Ortsangabe -
Donnerstag, 5. November 2011, 10.15 Uhr
Ich war so froh, endlich diese fiesen Kakerlaken los zu sein, und nun
sind wieder neue blinde Passagiere an Bord. Dieses Mal sind sie jedoch
kleiner und weniger ekelhaft: Ameisen, und zum Glück eine Sorte Ameisen,
die nicht beißt. In Darwin sah man sie überall. Sobald man sich
irgendwo hinsetzte, krabbelten sie einem an den Beinen hoch, und Taschen
sollte man dort lieber nicht auf dem Boden abstellen. Auf irgendeine
Art, in der Kleidung oder in irgendwelchen Taschen, habe es ein paar
Ameisen an Bord geschafft und wohnen nun hier. Abgesehen davon, daß ab
und zu eine von ihnen über die Tastatur oder die Seekarte läuft, sind
sie recht pflegeleicht. Und sie sorgen auch dafür, daß ich öfter
saubermache als gewöhnlich. Ich lasse den Stapel mit schmutzigem
Geschirr nicht bis zur Decke wachsen, und auch den Boden der Kajüte, der
zwischenzeitlich ziemlich salzig geworden war, habe ich sauber
geschrubbt. Jetzt ruhe ich mich ein bisschen im Cockpit aus. Ich blicke
über das endlose Blau und staune, wie die Wellen immer neue komplizierte
Formen annehmen. Langsam sinkt die Sonne hinter den Horizont. Die Nacht
fällt wie eine Decke über mich herein, und schon wieder ist ein Tag
vorbei. Ich bin glücklich. So lange wie jetzt bin ich noch nie unterwegs
gewesen. Aber Guppy und ich halten es noch gut miteinander aus. Am
Anfang habe ich sehr viel Zeit gebraucht, um wieder in meinen Rhythmus
zu finden, aber jetzt, da ich schon so lange auf See bin, macht es mir
nichts mehr aus. Das hier ist jetzt meine Welt. Jedoch verlaufen nicht
alle Tage so glatt. Aus Sicherheitsgründen kann ich nicht verraten,
wohin ich segle, aber auf die vergangenen Wochen zurückblickend kann ich
sagen, daß diese Überfahrt nicht eine der Leichtesten ist. Ich habe mit
wenig Wind, umlaufenden Winden, Sturm und mit hohen Wellen zu kämpfen.
Manchmal wähnte ich mich in einer Achterbahn. Guppy wurde einige Male
kräftig auf die Seite geschmissen, wodurch Wasser ins Cockpit strömte,
ich auf die tief liegende Seite flog und mich an den Handgriffen des
Eingangs festklammen mußte. Aber Guppy schlägt sich tapfer und ich
stecke auch einiges weg. Obwohl ich nichts dagegen hätte, wenn mehr Tage
so wie heute verlaufen würden. Tage, an denen ich höchstens über
Ameisen nachdenken muß und die vorbeigehen, ohne daß irgendetwas
Unangenehmes passiert. Grüße, Laura
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl
Zeilmeisje LauraDekker
Woche 64
Sturm auf See...
Donnerstag, 10. November 2011, 9.45 Uhr
Es ist beinah Land in Sicht... Nicht mehr lange und ich fahre unter der
Südafrikanischen Küste. Es war ziemlich schwierig, hierüber nichts
verlauten zu lassen, aber es war aus Gründen meiner eigenen Sicherheit
absolut notwendig. Aus demselben Grund habe ich auch nichts über den
schweren Sturm geschrieben, den ich kürzlich mitgemacht habe. Guppy und
ich bekamen es mit Winden der Stärke 9 [75 - 88 km/h] und acht Meter
hohen Wellen zu tun, von denen wir oft mit einem gewaltigen Krachen, das
mir Unwohlsein bereitete, herunterfielen. Die meiste Zeit befand sich
Guppy mehr unter als über Wasser. Ich war zehn Stunden beschäftigt um
dafür zu sorgen, daß wir ungeschoren durchkommen. Ich hatte gar keine
Zeit, um Angst zu haben... Ich bin froh, daß an Bord wieder halbwegs
Ruhe eingekehrt ist und daß ich mich normaleren Dingen wie lesen oder
meinen Schularbeiten widmen kann. Zum Letzteren möchte ich gern ein paar
Worte loswerden. Es ärgert mich, daß während der letzten Wochen eine
Menge Berichte geschrieben wurden, nach deren Aussage ich die Schule
abgebrochen haben soll. Ich soll sogar meine Schulbücher über Bord
geworfen haben. Es ist absolut nichts Wahres daran. Ich habe lediglich
gesagt, daß ich meine Schularbeiten auf Sparflamme gesetzt habe. Der
Grund hierfür ist ganz einfach, daß ich einige lange Überfahrten zu
bewältigen hatte. Hat irgendjemand mal darüber nachgedacht, wie schwer
einfache Tätigkeiten wie essen oder zur Toilette zu gehen auf einem hin
und her schwankenden Boot fallen? Bei starkem Wind wird das noch
schwieriger, und man muß sich mit beiden Händen und Beinen fest stemmen,
um nicht wie ein zielloses Geschoß durchs Boot zu fliegen. Wenn es die
Umstände an einem ruhigen Segeltag erlauben, vorausgesetzt, ich habe in
der vorangegangenen Nacht genug Schlaf bekommen - so wie heute - nehme
ich meine Schulbücher zur Hand. Mit dem Lernen geht es zwar etwas
langsamer, aber ich bin fest entschlossen, meinen Schulabschluß zu
machen. Ich frage mich, wie es sein kann, daß alle Medien diese Berichte
fröhlich voneinander abschreiben ohne jemals mit mir gesprochen zu
haben um herauszufinden, wie bei mir läuft? Die Antwort auf die letzte
Frage besteht im Augenblick lediglich aus zehn Buchstaben: GROSSARTIG!
Das Land ist fast in Sichtweite... Grüße, Laura
Übersetzung aus dem Niederländischen. Mit freundlicher Genehmigung des Algemeen Dagblad, Rotterdam www.ad.nl