AD Follow-up stories / Deutsch


Dienstag, 24. Januar 2012

LAURA TAUCHT WIEDER IN IHRE SCHULBÜCHER EIN
von Suzanne Docter

Neues Ziel für das ‘Zeilmeisje‘: ihren Schulabschluß machen

Laura segelte allein um die ganze Welt. Sie hat sich ihren Traum erfüllt und bisher noch keinen neuen. Was jetzt passieren muß ist für ihren Manager so klar wie nur was: sie muß zurück in die Schule und so schnell wie möglich ihren Schulabschluß machen.

Seglerin Laura Dekker hat sich nach einer anstrengenden Rückkehr ein paar Tage lang völlige Ruhe gegönnt. Sie wurde von den Medien und sonstigen Verpflichtungen ferngehalten. Trotzdem wird diese Woche noch ein ernsthaftes Gespräch über die Schule folgen, wie ihr Manager Gerard van Erp wissen lässt. “Wir werden intensive Gespräche mit ihr führen, um sicherzustellen - zum Glück steht ihre Familie hinter mir - daß Laura wieder zur Schule geht. Sie muß ihren Schulabschluß machen.”
Seit ihrer Abfahrt folgte Laura dem Fernunterricht der Wereldschool [‘Weltschule‘, Lelystad, Niederlande]. Von dieser offiziell anerkannten Schule darf Laura ’jederzeit mit ihrer Schulausbildung fortfahren wenn sie es will‘. Sie hat alle Schulbücher für die HAVO Schuljahre 4 und 5 [HAVO: Hoger Algemeen Voortgezet Onderwijs, Abschluß nach HAVO 5. Etwa mit der deutschen Fachhochschulreife zu vergleichen] und sie macht dasselbe wie die gleichaltrigen Schüler an Land. Allerdings hat sie das Lernen in den letzten Monaten auf Sparflamme betrieben.       
 
Chemieexperimente

Auch sie muß Inhaltsangaben von Büchern machen, muß sachliche Briefe und Mathearbeiten schreiben und sogar chemische Experimente an Bord durchführen. Das geht auch weiter solange sie auf Sint Maaren ist, denn ihr Boot ist ihr zu Hause.
Die Entscheidung, wie es jetzt weitergeht, liegt bei Laura. Entweder mit der Wereldschool oder in einer normalen Schule an Land. Sie selbst sagt, daß sie fest entschlossen ist, wieder zur Schule zu gehen. “Nicht weil ich es muß. Ich mache nie irgendwas weil ich es muß, sondern weil ich es selbst gern will.”
Ginge es nach van Erp, so würde das auf Bonaire, wo er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern im Teenageralter lebt, stattfinden. “Sie ist schon früher [im Frühjahr 2011] fünf Wochen lang bei uns gewesen, und das hat prima geklappt. Auf Bonaire gibt es eine weiterführende Schule, in die Laura mit meinen Kindern gehen könnte. Im Augenblick wohnt auch ein Student bei mir, der Laura Nachhilfe in Chemie, dem einzigen Fach, in dem sie wirklich hinterherhinkt, geben könnte.”
Die Möglichkeit, daß Laura noch einmal Probleme mit einem Beamten der Schulbehörde bekommt, ist im Augenblick eher gering. Hauptsächlich weil sie nicht mehr in den Niederlanden behördlich gemeldet ist und die Schulpflicht nur für solche Kinder gilt, die dort gemeldet sind.
Ingrado, der Verband der für die Schulpflicht zuständigen Beamten, hat darüber hinaus bei Lauras Abfahrt in einer offiziellen Stellungnahme wissen lassen, Laura nicht weiter behelligen zu wollen, da sie nun abgemeldet ist. Auch die Jugendbehörden, Jeugdzorg und Raad voor de Kinderbescherming, haben ebenfalls gesagt, daß sie sich nicht weiter mit dem Teenager befassen werden.
Der Einzige, dem die Schulpflicht noch etwas anhaben könnte, ist ihr Vater, da er in seiner Pflicht als Vater versagt habe. Gemäß dem Schulbeamten in Goes [Provinz Zeeland] hat er durch Lauras Abmeldung beim Einwohnermeldeamt vorsätzlich dafür gesorgt, daß Laura nicht mehr der Schulpflicht unterliegt. Er beruft sich dabei auf ein Urteil des Amtsgerichts in Den Bosch im Falle einer Familie, die ihre Kinder ebenfalls abgemeldet hatte um für neun Monate auf Weltreise zu gehen. Letztendlich wurden sie mit einer Geldbuße von 1500 Euro belegt.
Theoretisch könnte auch Lauras Vater eine ähnliche Strafe drohen. Van Erp denkt jedoch nicht, daß es so weit kommen wird. Der Zeitraum, in dem die Seglerin zu wenig für die Schule getan hat, war wesentlich kürzer als neun Monate. Erst in der Zeit um ihren 16. Geburtstag herum hatte sie beschlossen, die Schularbeiten auf die lange Bank zu schieben.
Und jetzt, da Laura 16 ist, ist sie nicht mehr schulpflichtig, muß aber laut Gesetz bis spätestens zu ihrem 18. Geburtstag einen Abschluß vorweisen können. “Das wird sie ohne Probleme schaffen,” sagt van Erp, “sie ist nicht so weit im Rückstand”.  
Carry Roozemond, Vorsitzende der Vereinigung Ingrado, sagt in einer ersten Reaktion, daß Laura zunächst Ruhe brauche. Sie hat ihre Beamten angewiesen, Laura zunächst in Ruhe zu lassen. “Sie hat gerade eine sehr besondere Reise hinter sich und sie muß sich zunächst erholen. Die ganze Zeit das Gefühl zu haben, daß sie muß, muß, muß (zur Schule), hat ihr nicht gut getan”, sagt Roozemond. “Wenn sie zurück in die Niederlande kommen will und hier wieder zur Schule gehen möchte, kann ihr der Schulbeamte vielleicht helfen. Aber was sie jetzt nötig hat, ist Ruhe.”

DOKUMENTARFILM ÜBER LAURAS ABENTEUER AUF SEE IN PRODUKTION

Simpson Bay - Konzentriert betrachtet Jillian Schlesinger Filmszenen von Lauras Ankunft auf Sint Maarten. Schlesinger folgte Lauras Reise um die ganze Welt und ist dabei, einen Dokumentarfilm darüber zu erstellen, der im Sommer herauskommen wird. “Die Dreharbeiten sind abgeschlossen”, seufzt sie, “und jetzt folgt die nächste Phase: der Schnitt”.
Ein Artikel über Laura in der New York Times im August 2009 erregte die Aufmerksamkeit der Filmemacherin. “Der Titel lautete ‘Wie jung ist zu jung um die Welt zu umsegeln?’ und ich war von ihrer Geschichte fasziniert.”
Und es ließ sie nicht mehr los. “Es war so außergewöhnlich: eine junge Frau kämpft für ihren Traum, der vor wenigen Generationen für eine Frau vollkommen unmöglich gewesen wäre.
Sie sagt, daß sie viel in Lauras Geschichte wiedererkennt. “Mein Vater war ein leidenschaftlicher Segler, und immer wenn er mich zu Bett brachte, erzählte er mir Geschichten über das Segeln. Als ich fünf war, nahm er mich auf seine Segeltouren mit, und damals verstand ich, was es heißt, nur Wasser um mich herum zu sehen.”
Schlesinger schrieb einen Brief an Laura worin sie ihr ihre Idee erklärte, eine Dokumentation über sie machen zu wollen. “Sie war von meiner Idee begeistert, und faktisch machen wir diesen Film gemeinsam. Ich habe schon vor ihrer Abfahrt begonnen, sie zu filmen. Als ich sie kennenlernte, sah was sie konnte und wie lernbegierig sie war wußte ich sofort, daß sie ihre Reise erfolgreich meistern würde.”
Sie traf Laura an neun verschiedenen Orten auf der ganzen Welt. Die Amerikanerin hofft, daß der Film noch vor dem Sommer fertig sein wird. Dann möchte sie ihn auf Filmfestivals, in Schulen und bei Segelvereinigungen zeigen. “ich glaube, dies wird ein wichtiger Film werden, besonders für Frauen, denn er zeigt, daß man seinen Traum verwirklichen kann wenn man es wirklich will. Es spielt keine Rolle, ob es darum geht, um die Welt zu segeln oder einfach darum lesen und schreiben zu lernen.”
Sie selbst hat auch etwas daraus gelernt. “Jetzt weiß ich ganz sicher, daß ich auch weiterhin Filme machen möchte über besondere Menschen oder Orte, zu denen man nicht so leicht gelangt. Ich bin sicher, daß Laura nicht nur mich sondern Millionen andere Menschen inspirieren wird. Sie ist ein wirklicher real-life super hero.”

Alle Artikel wurden von Suzanne Docter geschrieben. Übersetzung aus dem Niederländischen. Herzlichen Dank an das Algemeen Dagblad aus Rotterdam, www.ad.nl,  für die Erlaubnis zur Übersetzung und zur Veröffentlichung.

 

Samstag, 21. Januar 2012

'SO, UND JETZT ERST MAL EIN BISSCHEN AUSRUHEN'
von Suzanne Docter

‘Zeilmeisje’ [Segelmädchen] Laura Dekker (16) kann ihre Familie nach anderthalb Jahren wieder in die Arme schließen.

'Zeilmeisje' Laura Dekker kommt heute Nachmittag auf der Insel Sint Maarten an. Das Team, das ihre Ankunft vorbereitet, erwartet tausende Schaulustige. Sie selbst zuckt darüber nur die Schultern. "Alle sind nervös, ich nicht."

Simpson Bay (Insel Sint Maarten) - Die Sonne scheint an diesem Freitagmorgen als Laura Dekker (16) noch rund 170 Seemeilen [315 Kilometer] vor der Küste der Insel Sint Maarten herumschaukelt. Ihr Satellitentelefon funktioniert nicht und daher kann niemand sie einen Tag vor ihrer Ankunft telefonisch erreichen; eigentlich ist die 'Funkstille' ganz angenehm.
Nun kann sie die letzten 24 Stunden ihrer Weltreise mit Lesen, Musikhören, dem Betrachten der Wellen und natürlich mit Segeln verbringen. "Und damit, den Inseln auszuweichen" scherzt der Teenager über die Mailverbindung, die noch funktioniert. 
"Aber ich bin nicht nervös, so wie alle denken. Ich kann mit ziemlicher Sicherheit sagen, daß die Meisten, die auf mich warten, viel nervöser sind als ich." schreibt sie selbstsicher.
Der Wind meint es gut mit der tief sonnengebräunten, zarten jedoch enorm starken Seglerin. Wenn alles klappt, muß sie an diesem Samstagmorgen nur noch 40 Seemeilen [74 Kilometer] zurücklegen, eine Entfernung, die sie vor ihrer für 15 Uhr geplanten Ankunft ohne Probleme schaffen kann.
"Wir haben gesagt, daß sie nirgends anhalten darf und weitersegeln muß, notfalls rund um die Insel... man weiß ja nie." klingt es unheilvoll aus dem Mund von Gerard van Erp, Lauras neuem Sprecher.
Im Yachtclub von Sint Maarten, wo Laura heute Nachmittag ankommt, ist es einen Tag vor ihrer Ankunft genauso ruhig wie an Bord des Bootes der Seglerin. Nur ein Plakat an einer Pinnwand und ein Artikel in einer Lokalzeitung, die auf einem der Tische herumliegt, verkünden ihre Ankunft. Die Einheimischen wissen zwar, daß sie ankommt, aber nicht genau wann. 'Wir werden es wissen wenn wir es sehen' ist ihr Liebligssprichwort, und daran halten sie sich auch heute.
Und doch wird ihre Ankunft seit Wochen fieberhaft vorbereitet. Van Erp isst mit Petra Gilders, der Managerin des Yachtclubs, zu Mittag, als Wachleute vorbeikommen um nach den letzten Einzelheiten zu fragen. Der Yachtclub wird morgen hermetisch abgeschirmt. Alle, die nicht zur Familie von Laura gehören, müssen sich ihre Ankunft aus einiger Entfernung absehen. 
"Ich erwarte etwa 300 Zuschauer" sagt Petra zu van Erp, der sie erstaunt anblickt und lacht. "Nein, viel mehr! Wie viele Leute wohnen hier? Achtzigtausend - glaubst Du nicht, daß von denen viele kommen werden? Er werden auch dutzende Fans aus den Niederlanden kommen... es war kein Flug mehr zu bekommen.”
Petra nickt. "Es werden auch viele Leute mit Booten kommen und ihr entgegenfahren."
Auf einem von diesen Booten werden Lauras Vater, Mutter und ihre Großeltern sein, die am Freitag ankommen werden. Und auch ihre Schwester Kim, die in letzter Minute von ihrer Schule die Zustimmung bekommen hat, bei Lauras Ankunft dabei sein zu dürfen.
Laura kann es kaum erwarten, ihre Familie wieder in den Arm nehmen zu können, schreibt sie in ihrer heutigen Kolumne, die sie für anderthalb Jahre für das Algemeen Dagblad schrieb, jener Zeitung, in der sie 2009 ihren Plan bekanntmachte. Es wird ‘weird’ (merkwürdig) sein, wenn die Reise zu Ende ist. “Ich weiß noch nicht, ob ich nochmal um die Welt segeln will. Erstmal schön ausruhen.”
Ihre Mutter und ihre Schwester hat sie ein ganzes Jahr lang nicht gesehen. Und wenn Laura ihre Ankunft selbst hätte planen dürfen, wäre sie zweifellos schnurstracks im nächsten McDonald’s verschwunden.
Stattdessen bekommt sie eine große Willkommensfeier, die minutiös geplant wurde. Rhoda Arrindell, die Ministerin für Sport und Bildung auf Sint Maarten, wird sie begrüßen. Abends folgt dann ein Dinner an Bord einer Megajacht. Gerard van Erp sagt, daß die Feierlichkeiten damit fürs Erste vorbei sind. Es gibt dutzende Leute, die ‘etwas von Laura wollen’. Von Geldangeboten für ein gemeinsames Foto - “das fangen wir erst gar nicht an” - bis zu den 246 Interviewanfragen aus aller Welt.
“Thomas Gottschalk, der deutsche Showmaster, der jahrelang Wetten dass? präsentiert hat, möchte Laura am Montagabend in seiner neuen Sendung haben. Geld spielt keine Rolle, er würde ein Privatflugzeug schicken. Nichts da,” sagt van Erp. “Laura gibt am Sonntagmorgen zwei Interviews, eines davon für das Algemeen Dagblad. Danach werden wir sehen, worauf sie Lust hat.”
Die Seglerin hat sich ihre Ruhe redlich verdient nach der langen Reise. Trotzdem betont van Erp, daß es in ein paar Tagen ernsthafte Gespräche mit Laura über ihre Zukunft geben wird. “Sie muß einen Schulabschluß machen und genau darüber nachdenken, was sie danach tun will.”
An Angeboten für Laura mangelt es nicht. Regisseurin Jillian Schlesinger hofft, daß Laura in ihrem Terminkalender Zeit für sie freihält um gemeinsam mit ihr Filmfestivals, Segelclubs und Schulen zu besuchen, um dort ihre Dokumentation ’über das Mädchen, das seit ihrem 8. Lebensjahr einen Traum hatte und das tat, was niemand für möglich hielt‘, zu zeigen. “Laura ist eine große Inspirationsquelle für Frauen auf der ganzen Welt. Sie hat gezeigt, daß man jeden Traum wahrmachen kann, ganz gleich ob es um eine Weltumsegelung oder Studieren geht.”
Ungeachtet des Stress’, den sich alle um ihre Ankunft machen: Laura bleibt ganz ruhig, so wie immer. Die Hektik lässt sie einfach über sich ergehen.
Vor Kurzem ließ sie wissen, daß sie “danach nach Neuseeland segeln wolle, um sich dort niederzulassen und um ’irgendwas mit Segeln’ zu machen.” Aber was wohl daraus wird...?
Zuerst muß sie ankommen. So kurz vor Schluß darf einfach nichts schief gehen. Folglich muß sie konzentriert bleiben und unterwegs auf die Inseln achten, aber trotzdem schweifen ihre Gedanken manchmal ab. Sie versucht, das alles nüchtern zu betrachten. “Natürlich freue ich mich darauf. Es ist für mich weder das Ende noch der Anfang von irgendwas, sondern eine weitere Ankunft - so wie viele.”
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Kein Eintrag in die Rekordbücher

Lauras Segelreise wird nicht ins Guinness Buch der Rekorde aufgenommen. Der Herausgeber möchte auf diese Weise verhindern, daß möglicherweise noch Jüngere dazu motiviert werden, eine ähnliche Soloreise zu unternehmen. Das war schon vor Lauras Abreise bekannt und es kümmert sie überhaupt nicht. “Ich mache meine Reise für mich und für niemand anderen.”